Ein Hauch von Seide - Roman
Interesse am Enthüllungsjournalismus. Sie war nicht dumm. Sie wusste ganz genau, dass es Lust war, die Brad antrieb, um sie zu werben. Sie hatte diese Reaktion schließlich oft genug miterlebt, und das hatte sie nur darin bestätigt, dass die meisten Männer eine Frau erst begehrten und sich dann später in sie verliebten, nicht umgekehrt.
Damit könnte sie leben, wenn sie Brad mit ihren sexuellen Fertigkeiten entzücken und bezaubern könnte. Er konnte sich später in sie verlieben, sobald er erkannt hatte, was sie längst wusste, nämlich dass sie wahre Seelengefährten waren. So wollte er zum Beispiel keine Kinder. Das hatte sie in einem Artikel über ihn gelesen, auch wenn sie voller Schuldgefühle und Scham war wegen des fast besessenen Wunsches, jedes noch so kleine bisschen Information über ihn zusammenzukratzen, dessen sie habhaft werden konnte.
Sie wusste, wie leidenschaftlich er sich seinem Schreiben widmete und seiner Mission, Korruption im Rathaus auszurotten und die Verbrechen der »großen Tiere« zum Wohle der »kleinen Leute« aufzudecken – eine gemeinsame Mission. Wie sie interessierte er sich mehr für Theater und Kunst als für Nachtclubs. Er war in der Welt herumgekommen und wollte noch viele Reisen unternehmen – auch sie wollte den Globus bereisen. Er war gegen den Vietnamkrieg und hatte öffentlich dagegen Stellung bezogen.
O ja, er war perfekt. Das Problem war nur, dass es noch andere Frauen gab, die weitaus erfahrener und wissender waren als sie, die das auch fanden.
Zum ersten Mal im Leben erfuhr Ella, wie es war, sich zu verlieben, und zwar so leidenschaftlich, dass sie bereit war, das zu brechen, was sie bislang als eiserne Regeln betrachtet hatte. Nur dass die Regeln, die sie einzwängten, selbstauferlegte Regeln waren und nicht die Regeln der Gesellschaft. Und dass sie, wenn sie sie brach, das Risiko einging, Brads Begehren abzutöten.
Er hatte sie damit gepiesackt, dass das Meer nicht weit weg war von seinem Haus und der Strand abgelegen genug, um nackt schwimmen zu gehen. Als sie das gehört hatte, wäre sie beinahe schwach geworden. Sie teilte sich das Büro mit drei anderen Redakteurinnen, die sie für verrückt erklärten, dass sie Brad so auf Distanz hielt.
»Das ist die britische Reserviertheit«, hatte eine von ihnen gesagt, während die anderen gekichert und bemerkt hatten, von britischer Reserviertheit hätten sie an dem Abend, als sie mit einer in New York gastierenden Londoner Rockgruppe zum Abendessen ausgegangen waren, nicht viel bemerkt.
»Die waren alle total high und fescher als ein Umkleideraum voller Sportler. Sie waren unglaublich süß und sexy.«
Die Hitze machte ihr wirklich zu schaffen, und voller Neid dachte sie an Denham mit seinen kühlen grünen Gärten und hohen, luftigen Räumen.
Der Gedanke an Denham war auf jeden Fall viel sicherer als der an Brad.
39
»Hast du am Wochenende schon was vor?«, fragte Janey Rose am Freitag, dem Morgen nach Roses Abendessen mit Josh, als sie zusammen in der Küche saßen und eine Kanne Tee tranken, die Rose aufgegossen hatte. Die Küchentür stand offen, um frische Morgenluft hereinzulassen. Wie in den meisten Häusern aus dieser Zeit ging die Küche nach Norden und lag im Keller – da hielten sich Lebensmittel leichter kühl und frisch. Doch ohne den Aga-Herd, den Amber hatte aufstellen lassen, wäre es im Winter hier unten frostig kalt gewesen.
Roses Firma war inzwischen so erfolgreich, dass sie sich leicht eine eigene kleine Wohnung leisten könnte. Doch obwohl sie ihre Privatsphäre schätzte und gern allein war, würde sie die Vertrautheit des Hauses am Cheyne Walk vermissen, wenn sie ausziehen würde. Janey dagegen wäre vermutlich sehr gern ausgezogen, um sich mit ihrem derzeitigen Freund eine Wohnung zu teilen, wenn so etwas akzeptabel gewesen wäre.
Die Sechziger mochten eine neue Ära gebracht haben, mit, wie das Establishment fand, schändlich laxen Moralvorstellungen, doch nicht einmal eine junge Frau wie Patti Boyd war vor der Heirat mit ihrem Freund George zusammengezogen. Eine junge Frau mochte mit so vielen verschiedenen jungen Männern ins Bett gehen, wie sie wollte, sie mochte sogar tagelang bei ihnen bleiben, doch es war absolut inakzeptabel, dass sie auf Dauer bei einem einzog.
»Ich muss nach Sussex, um mir ein Haus anzusehen, das ich vielleicht neu ausstatte. David Mlinaric hat mir den Auftrag vermittelt«, antwortete Rose.
Der Kopf pochte ihr von den Tränen, die sie in der Nacht
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