Ein Hauch von Seide - Roman
Cindy zusammenzuarbeiten, und wünschte sich, sie hätten einen Monat Kündigungsfrist verabredet gehabt und nicht zwei. Die letzte Woche hatte Cindy von zu Hause aus gearbeitet, und Janey war froh gewesen über ihre Abwesenheit. Nur noch drei Wochen, dann war sie sie endgültig los.
»Es tut mir leid«, sagte Janey zu Fiona. Es hatte offensichtlich ein Missverständnis gegeben, schließlich würde Cindy niemals absichtlich den Verkäuferinnen ihren Lohn vorenthalten. »Ich gehe zur Bank und hebe Geld ab.« Sie sah auf ihre Uhr. »Am besten gehe ich jetzt gleich, bevor sie schließt. Du musst herausfinden, wie viel jede bekommt.«
Eine Viertelstunde später saß Janey auf einem Stuhl im Büro des Zweigstellenleiters ihrer Bank und versuchte verzweifelt, nicht wie ein Baby in Tränen auszubrechen. Er hatte ihr erklärt, sie könne kein Geld vom Geschäftskonto abheben, weil keines drauf sei.
Das musste ein Fehler sein. Aber den Fehler hatte nicht Cindy gemacht, sondern sie.
»Aber da muss Geld sein«, protestierte sie. Und nicht nur ein bisschen, sondern ziemlich viel, denn vor zehn Tagen erst hatte sie auf Cindys Drängen einen großen Betrag von ihrem persönlichen Konto auf das Geschäftskonto überwiesen, um die Produktion der Kleider für die neue Saison vorzufinanzieren. Cindy hatte ihr erklärt, sie habe mit den Lieferanten einen zusätzlichen Rabatt ausgehandelt, wenn sie früh zahlten.
Als sie Mr Beard das erzählte, wurde seine Miene noch ernster. Es wurde nach einem Buchhalter geschickt, eine Anweisung erteilt. Mr Beards Sekretärin brachte eine Tasse Tee, von der Janey die Hälfte in die zarte Porzellanuntertasse schlabberte, weil sie so nervös war, während sie darauf wartete, dass Mr Beard die Unterlagen und die Schecks durchsah, die er sich hatte bringen lassen.
»Nun«, sagte er, stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab – was, wie Janey geistesabwesend registrierte, der Grund war, dass sein Anzug so glänzende Stellen hatte – und legte die Fingerspitzen aneinander. »Ich glaube, wir haben die Erklärung. Es scheint, als habe Ihre Partnerin Schecks eingereicht, die auf ihr persönliches Konto gutgeschrieben wurden.«
»Aber … aber doch sicher nicht über den ganzen Betrag?«, protestierte Janey, die immer noch nicht recht begriff, was eigentlich los war.
»Ich fürchte doch«, sagte der Filialleiter.
»Aber … aber das kann sie nicht.«
»Ich fürchte, rechtlich steht dem nichts im Wege«, erklärte Mr Beard ihr, »denn die Bankvollmacht sieht nichts vor, was sie daran hindern könnte oder was die Höhe der Beträge limitiert.«
»Dann kann ich mein Geld nicht zurückbekommen?«
»Nur wenn sie bereit ist, es wieder herzugeben«, antwortete Mr Beard.
So wie er sie ansah, war Mr Beard wohl mit ihr einer Meinung, dass Janey ihr Geld wahrscheinlich nicht zurückbekommen würde. Niemand plünderte ein Konto so gründlich wie Cindy, um das Geld dann freiwillig wieder zurückzugeben.
Trotzdem versuchte Janey sich auf dem Weg zurück zum Laden davon zu überzeugen, dass es doch ein Fehler gewesen sein konnte; dass Cindy trotz ihres Streits wegen Charlie unmöglich das ganze Geld genommen haben konnte und dass es für sein Verschwinden eine ganz vernünftige Erklärung gab.
Doch wie Janey rasch entdeckte, war das Geld nicht das Einzige, was fort war. Auch Cindy war verschwunden. Die junge Frau, die schließlich ans Telefon ging, als Janey besorgt in Cindys Wohnung anrief, erklärte ihr, Cindy sei ausgezogen, weil sie zurück nach Amerika ginge.
»Beide«, fügte sie noch hinzu, »ihr Freund, der Dressman, auch.«
Freund?
»Du meinst Charlie?«, fragte Janey. Ihr Magen verkrampfte sich vor Panik und dem dringenden Wunsch, das könne unmöglich sein.
»Ja, der.«
Und mir wollte Cindy weismachen, sie und Charlie wären bloß Kumpel, dachte Janey benommen und taumelte unter dem Schlag, den sie gerade eingesteckt hatte. Hatten sie die ganze Zeit vorgehabt, sie auszurauben, oder hatte Cindy spontan und aus reiner Bosheit gehandelt?
Was spielte es schon für eine Rolle? Sie hatte sich von den beiden an der Nase herumführen lassen, und sie wollte sie nie wiedersehen.
Janey bedankte sich bei der jungen Frau für ihre Hilfe, legte den Hörer auf und lehnte sich an die Wand. Das konnte nicht wahr sein. Doch es war wahr. Wie hatte sie so dumm sein können, den beiden zu glauben und nie auch nur den geringsten Verdacht zu hegen? Die beiden hatten ihr alles gestohlen: ihr Vertrauen, ihren
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