Ein Hauch von Seide - Roman
Schmerzmittel besorgen. Er hatte ihr aufgeschrieben, was sie kaufen sollte. Sie hatte den Zettel doch sicher verwahrt, oder? Ängstlich öffnete Ella ihre Handtasche, um nachzusehen.
Oliver verließ gerade das Vogue -Gebäude, als er Ella die Straße herunter darauf zukommen sah, eine schlanke, attraktive Gestalt in ihrem pflaumenblau-schwarzen Mantel und ihren Wildlederstiefeln, während die Sonne auf ihrem Haar schimmerte. Etwas Ungewohntes und Ungewolltes regte sich in ihm. Ein Verlangen, das Bedürfnis, zu ihr zu gehen und … was? Anspruch auf sie zu erheben? Schön, er hatte ein paar Tage mit ihr bumsen dürfen, doch das war jetzt vorbei. Allerdings fiel ihm auf, dass sie nicht besonders glücklich wirkte. Ja, sie wirkte sogar durch und durch unglücklich, ihr Gesicht war blasser und schmaler als in seiner Erinnerung. Was war der Grund dafür? Hatte sie sich mit ihrem Freund gestritten?
Statt in die entgegengesetzte Richtung zu gehen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, wandte er sich um und ging mit federnden Schritten auf sie zu.
Sie kramte immer noch in ihrer Handtasche herum. Typisch Frau, dachte Oliver, als er näher kam und sie ansprach und ihr dabei die Hand auf den Arm legte.
Oliver! Die offene Handtasche rutschte Ella aus den plötzlich tauben Fingern und ergoss ihren Inhalt auf den Gehweg. Sie bückte sich, ohne auf die Benommenheit zu achten, die sie bei der plötzlichen Bewegung überkam, und versuchte panisch, ihre Sachen einzusammeln, doch Oliver hatte sich schon hingehockt, und seine Hände waren schneller und größer als ihre, sodass er ihr zuvorkam.
Sie ist jetzt wirklich unglaublich sexy, dachte Oliver selbstgefällig, und das ist mein Werk. Schon reagierte sein Körper auf ihre Nähe. Im Geiste wog er die Chance ab, sie dazu zu überreden, ein letztes Mal zum Abschied mit ihm zu ficken, und seine Lippen bogen sich schon zu dem Lächeln, mit dem er sie beschwatzen wollte. Er hatte ihre Handtasche in der Hand, ihren Lippenstift und einige Zettel, und an einen war eine Visitenkarte getackert. Müßig drehte er sie um und schaute, was darauf stand. Seine Mutter hatte immer schon gesagt, er wäre zu neugierig.
Sobald er die Worte gelesen und verstanden hatte, wurden sie zu einer Kraft, die die Welt aus den Angeln hob, bevor sie knirschend wieder … Er blickte von dem Ergebnis des Schwangerschaftstests, das er in Händen hielt, zu Ellas kreidebleichem Gesicht.
»Du bist schwanger.«
Sinnlos, es zu leugnen. Schließlich hielt er den Beweis in Händen.
»Ja«, antwortete Ella, als sie beide aufstanden. »Es war ein Unfall. Ich weiß nicht, wie es passiert ist.«
Als Oliver sie ungläubig ansah, beharrte sie: »Ich nehme die Pille. Es hätte nicht passieren dürfen. Und du musst dir auch keine Sorgen machen. Ich lasse … ich lasse einen Eingriff machen. Ich habe schon einen Termin.«
»Du lässt es abtreiben?«
Bei seinen unverblümten Worten fuhr sie zusammen und wollte instinktiv schützend die Hand auf ihren flachen Bauch legen, doch das verbot sie sich und sagte nur: »Ja.«
»Und das ist der Arzt, der es macht?«, wollte Oliver wissen.
»Ja. Nicht dass es dich etwas anginge.«
Sie war zittrig, den Tränen nahe. Sie wollte nicht, dass er sie weinen sah, als ob … als ob das, was zwischen ihnen passiert war, etwas bedeutete, wo es doch überhaupt nichts bedeutet hatte.
Ella wagte nicht, noch etwas zu sagen, trat um Oliver herum und lief dann fast den restlichen Weg zum Vogue -Gebäude, wagte es nicht, zurückzublicken, und entspannte sich erst, als sie in ihrem Büro war, wo sie sich relativ sicher fühlte. Erst da ging ihr auf, dass Oliver noch das Ergebnis des Schwangerschaftstests und den Zettel mit dem Termin für die Ausschabung hatte. Nicht dass es eine Rolle spielte. Das Datum und die Uhrzeit würde sie wohl kaum vergessen, oder?
Wie konnte sie so leichtsinnig und so tollkühn sein? Roses Hand zitterte, als sie in ihr frisch geschnittenes Haar fuhr. Nachdem sie so lange Joshs Bubikopf getragen hatte, kam es ihr immer noch seltsam kurz vor. Doch jetzt war es zu spät, zu bedauern, was sie getan hatte. Was geschehen war, konnte nicht ungeschehen gemacht werden. Es würde natürlich Kommentare – und Kritik – geben, Fragen und verletzte Gefühle, weil sie es für sich behalten hatte, doch bis zur letzten Minute war sie sich nicht sicher gewesen, ob sie es tatsächlich tun würde. Doch dann hatte Josh angerufen und gesagt, er müsse sie dringend sehen wegen etwas,
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