Ein Hauch von Seide - Roman
tat es schon wieder – gab ihr das Gefühl, klein und unbedeutend zu sein, um sie zu demütigen. Nun, Emerald würde ihr zeigen, dass sie besser war als sie, sie würde es allen zeigen.
Ohne ihrer Mutter die Gelegenheit zu geben, etwas einzuwenden, hob Emerald den langen Rock ihres Ballkleids hoch und stürmte davon, den Kopf so voller zorniger Gedanken, dass sie Alessandro erst sah, als sie beinahe mit ihm zusammenstieß.
»Sie sind aufgebracht. Was ist? Was ist passiert?«
Fast wäre Emerald an ihm vorbeigestürmt, doch sie blieb stehen und sah ihn an. Alessandro war ein Jahr jünger als sie und trotz seines guten Aussehens und seines königlichen Status in vielerlei Hinsicht unreif. Das war, wie Emerald vermutete, der überbehütenden Fürsorge seiner Mutter zu verdanken. Normalerweise hätte sie ihn ohne einen weiteren Gedanken abgetan, doch jetzt war ihr eine Idee gekommen, wie sie sich an all denen rächen konnte, die dachten, sie könnten sie demütigen.
»Nichts ist passiert«, antwortete sie leise und warf ihm einen betont sinnlichen Blick zu. »Nicht jetzt, da Sie hier sind.«
Sie sah, welche Wirkung das auf ihn hatte. Sein Gesicht war gerötet, und er bewegte sich auf sie zu, streckte die Hand nach der ihren aus und hielt diese fest, als sie sie ihm reichte.
Die Musiker stimmten die Instrumente für den ersten Tanz – den Tanz, den sie mit dem Herzog von Kent hatte tanzen wollen und den sie, wenn es nach ihrer Mutter ging, eigentlich mit Dougie tanzen müsste. Also, das würde sie auf keinen Fall.
»Möchten Sie mit mir tanzen?«, fragte sie Alessandro, trat näher an ihn heran, schenkte ihm ein aufreizendes Lächeln und fuhr ihm dabei mit einem Finger über den Arm. Es amüsierte sie, dass er sichtlich zitterte.
»Sie möchten, dass ich den ersten Tanz mit Ihnen tanze?« Seine Stimme war belegt vor Nervosität.
»Ja, ich möchte, dass Sie mein Partner sind«, stimmte Emerald ihm mit Betonung auf dem Wort »Partner« zu, bevor, wie aufs Stichwort, das Tanzorchester zu spielen anhub und sie in seine Arme glitt.
Sie war die Tochter eines Herzogs, sie war das schönste Mädchen im ganzen Saal, sie hatte es verdient, gefeiert zu werden, gerühmt und bewundert. Und so sollte es sein. Ihre Mutter hatte gesagt, sie müsse den Tanz mit Dougie eröffnen, denn er war der neue Herzog … Also, das werde ich auf keinen Fall tun, dachte Emerald triumphierend, als sie in Alessandros Armen an Dougie und ihrer Mutter vorbeitanzte. Die Tanzfläche füllte sich, was Emerald erlaubte, sich enger an Alessandro zu schmiegen. Es versetzte sie in triumphierende Erregung zu spüren, wie er am ganzen Leib zitterte. Sie mochte noch Jungfrau sein, doch sie hätte einem Mann niemals gezeigt, dass sie für seine Reize empfänglich war, sosehr sie ihn auch begehrte. Doch der arme Alessandro hatte sich nicht unter Kontrolle und konnte nicht verbergen, was er für sie empfand. Sie spürte seinen heißen Atem an der Stirn und war froh, dass er Handschuhe trug, denn seine Hände waren vor Aufregung bestimmt ganz klebrig. Sein offensichtliches Verlangen nach ihr gab ihr ihr Selbstbewusstsein zurück. Sie schmiegte sich an ihn, lehnte den Oberkörper gegen seine Brust und hob die Hand, um seinen Nacken zu liebkosen.
Sein hingehauchtes »Adorata« hätte sie bei anderer Gelegenheit laut auflachen lassen – er war so lächerlich fremdländisch. Doch er war auch ein Prinz, ein richtiger Prinz mit einem eigenen Land, das er regierte, ein Prinz, der sie zur Prinzessin machen konnte.
»So etwas dürfen Sie nicht sagen.« Sie tat, als tadelte sie ihn, machte ihre Stimme dabei weich, fast nervös.
»Ich kann nicht anders«, erklärte Alessandro und hielt sie fest in seinen Armen. »Sie sind meine Angebetete. Ich habe Sie vom ersten Augenblick an, da ich Sie gesehen habe, geliebt, aber erst heute Abend wage ich zu träumen, dass ich Sie so halten könnte.«
Wie bescheiden seine Träume doch sind, dachte Emerald zynisch, während sie ihm unter gesenkten Augenlidern einen berechnenden Blick zuwarf. Ihre Pläne waren weitaus ehrgeiziger.
Dougie sah Emerald vom Rand der Tanzfläche aus zu. Was führte sie denn jetzt im Schilde? Er wusste, dass die Herzogin verärgert war über Emeralds Betragen und die Tatsache, dass sie den Ball mit einem anderen eröffnet hatte, doch ihm machte das nichts aus. Er war vielmehr erleichtert, dass er nicht mit ihr tanzen musste. Bestimmt hätte sie nur an seinen Tanzkünsten herumgekrittelt.
Während
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