Ein Hauch Von Sterblichkeit
erinnere mich. In seinem Wohnzimmer hat es auch danach gerochen.« Sally sah ihn an.
»Das Wohnzimmer, ja. Das war die erste Überraschung.«
»Ah«, sagte Austin freundlich.
»Ich denke, wir öffnen zuerst ein Fenster! Es muffelt ein wenig hier drin. Obwohl, es ist auch ohne Zug kalt genug. Geht es noch, Sally?«
»Mir ist nicht schlecht, falls Sie das meinen. Aber machen Sie das Fenster auf! Besser erfroren als erstickt. Er hat ein paar sehr interessante alte Stücke aus Porzellan. Ich hab sie gesehen, in der Küche. Ein Milchkännchen zum Beispiel in Form einer Kuh …«
»Wir kommen noch zur Küche. Ich möchte zuerst einen Blick hier hineinwerfen. Es ist sein bestes Zimmer und wahrscheinlich der Raum, wo er seine besten Stücke aufbewahrt. Die Sachen, über die die Suttons und die Bodicotes in Streit geraten dürften.« Er blickte sich um.
»Ein Bücherregal! Vielleicht ganz interessant zu sehen, was der alte Gentleman so gelesen hat!« Austin hatte das Fenster geöffnet und trat nun zu dem Bücherregal in der Ecke. Die bleiche Wintersonne fiel ins Zimmer, nachdem der Vorhang zurückgezogen war, und glänzte auf den abgewetzten Rücken der dicht gepackt stehenden Bände. Austin zog das erste Buch in der obersten Reihe hervor …
»Mein Gott!«, flüsterte er und verstummte.
»Austin?«, fragte Sally erschrocken. Er antwortete nicht. Stattdessen zog er – sehr, sehr vorsichtig – das nächste Buch aus dem Regal.
»Sally?« Seine Stimme klang gedämpft. Unterdrückte Aufregung, trotz aller Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.
»Kommen Sie her und sehen Sie sich das an! Es ist John Buchan, Die neununddreißig Stufen, im Originaleinband. Und hier Grünmantel. Erstausgabe. Oft gelesen, aber in gutem Zustand. Absolut intakt. Und hier der Lieblingsautor des alten Mannes, falls Markby Recht hat: Sherlock Holmes – mein Gott!«
Austins Stimme endete in einem leisen Quieken.
»Diese Mappe enthält eine 1887er Ausgabe von Beetons Weihnachtsjahrbuch! Es ist die Ausgabe mit Studie in Scharlachrot! Die erste jemals veröffentlichte Sherlock-Holmes-Geschichte! Der Traum eines Sammlers! Wussten Sie, dass ein Exemplar davon vor kurzem bei einer Auktion in London mehr als 20.000 Pfund erzielt hat? Herr im Himmel! Hier in dieser Ausgabe von The White Company steckt ein handgeschriebener Brief. Das ist einer von Conan Doyles historischen Romanen. Der Brief ist offensichtlich von Conan Doyle selbst geschrieben und unterzeichnet! Er ist adressiert an eine Miss Charlotte Edwards und nach dem Datum zu urteilen war sie die Mutter oder Großmutter des alten Mannes! Wahrscheinlich die Großmutter. Es sieht so aus, als hätte Conan Doyle ziemlich viel mit ihr korrespondiert, weil er sich auf frühere Briefe bezieht und ihr für ihre erstklassige Arbeit dankt, Kindern auf dem Land die Literatur näher zu bringen. Gütiger Gott! Vielleicht gibt es noch weitere handgeschriebene Briefe hier im Haus!«
»Vielleicht«, schlug Sally nervös vor, »sollten wir zuerst die anderen Bücher in Augenschein nehmen.«
»Ja, ja – sehen Sie nur!« Austin versagte einmal mehr die Stimme. Gemeinsam nahmen sie die Bücher aus den Regalen und legten sie behutsam auf dem Tisch aus.
»Sehen Sie sich das an!«, krächzte Austin.
»Sehen Sie nur all diese Agatha Christies! Erstausgaben, in Umschlägen, gepflegt … das reinste Sammlerparadies!« In einer Art Litanei ging es weiter:
»Graham Greene … D. H. Lawrence … W. Somerset Maugham … H. E. Bates. Auch die Amerikaner sind dabei … Faulkner, Hemingway … Dashiel Hammet! Alles Erst- oder zumindest frühe Ausgaben! Aber von Conan Doyle – einfach alles, was der Mann je geschrieben hat!« Austin kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
»Offensichtlich war es Tradition im Haus von Bodicotes Großeltern, jeden neuen Titel noch feucht aus der Druckerpresse zu kaufen, und wann immer möglich sandten sie die Bücher zu den Autoren mit der Bitte, sie zu signieren. Und das haben sie auch getan! Sie haben zurückgeschrieben! Ich habe wenigstens fünf oder sechs handgeschriebene Briefe gesehen, zwischen den Einbanddeckeln eingeklemmt, und wahrscheinlich gibt es noch Dutzende weitere! Die ältesten sind an eine Charlotte Edwards im Schulhaus gerichtet, später an Charlotte Purdy. Die nächste Serie ist adressiert an Alice Purdy, die später dann Alice Bodicote hieß, sie war also Charlottes Tochter und Hectors Mutter. Die jüngsten Briefe sind schließlich an Hector selbst gerichtet.
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