Ein Hauch Von Sterblichkeit
Bücher anderer Leute gesammelt. Es waren Bücher aus öffentlichen Leihbüchereien dabei, man stelle sich das vor! Ganz gewöhnliche Ausgaben, in Sackleinen gebunden und von keinerlei Wert außer für die Büchereien, die sie nicht mehr besaßen. Er nahm einfach alles und jedes mit. Er hatte eine dreisprachige Bibel aus dem siebzehnten Jahrhundert, Latein, Griechisch und Hebräisch in drei Spalten nebeneinander! Er konnte sie nicht einmal lesen! Es ist so traurig, sich vorzustellen, wie er allein in seinem Haus gesessen hat, über seinen Büchern, wie er sie betastet, über ihre Rücken gestrichen und die Seiten umgeblättert und verständnislos auf die merkwürdige alte Schrift gestarrt hat. Der arme Mr. Bodicote!«
Doch Alan lächelte.
»Was ist denn?«, fragte Meredith ihn.
»Ich habe nur an den unglückseligen Inspector Winter denken müssen«, erwiderte Markby verträumt.
»Es ist seine Aufgabe, das alles zu regeln.«
KAPITEL 12
»DAS MASS ist voll!«
Liam schmetterte seinen Aktenkoffer auf den Küchentisch.
»Da stellt sich doch tatsächlich heraus, dass Bodicote in der Welt der Bibliothekare und Buchhändler der Staatsfeind Nummer eins war! Ein Kleptomane! Ich wusste ja von Anfang an, dass er nicht alle Tassen im Schrank hatte!«
»Ich habe Kopfschmerzen!«, protestierte Sally schwach.
»Ich wünschte, du würdest nicht einen derartigen Lärm verursachen!«
»Du hast Kopfschmerzen? Mein Kopf fühlt sich an, als müsste er jeden Augenblick explodieren! Ich kann hier nicht mehr arbeiten, so viel steht fest! Das stille, friedliche Land? Pah! Ruhe und Frieden?« Er schnaubte.
»Wahrscheinlich hätte ich mitten auf dem Piccadilly Circus mehr Ruhe! Soll man es glauben, dass das Dezernat für Kunst und Antiquitäten einen Beamten hergeschickt hat? Untröstliche Bibliothekare aus dem ganzen Land sind in Scharen über das Bamforder Polizeirevier hergefallen auf der Suche nach gestohlenen Büchern aus diesem Cottage! Ganz zu schweigen von den Journalisten! Scheint im Moment eine Art Sauregurkenzeit zu sein, wenn sogar die Boulevardblätter ein Foto von Bodicotes Cottage wollen! Einer hat doch tatsächlich versucht, mich zu interviewen!«
Er marschierte in der Küche auf und ab und fuchtelte beim Reden so heftig mit den Armen, dass er Geschirr und Töpfe immer nur knapp verfehlte. Er sieht aus, dachte Sally bitter, als würde er vor einer Klasse von Studenten referieren. Seine Stimme war Gott weiß laut genug. Wahrscheinlich konnte man ihn am anderen Ende des Dorfes noch hören.
»Sie haben inzwischen alle Bücher herausgeholt.« Sally drückte die Fingerspitzen gegen die Schläfen.
»Hör endlich auf, Liam! Die Bibliothekare und die Polizisten und die Presse, sie sind alle längst wieder weg.«
»Wie lange denn?« Liam ließ sich nicht überzeugen.
»Bis zum nächsten lächerlichen Unsinn! Ich sage dir, ich kann hier nicht mehr arbeiten! Ich nehme meine Sachen mit ins Labor. Ich arbeite dort, in meinem Büro! Wenn ich hier bleibe, hätte ich genauso gut Urlaub nehmen können!«
»Du fährst doch sowieso jede Woche wenigstens ein- oder zweimal in dein Labor!«, gab Sally böse zurück.
»Also hat, was dich immer wieder wegtreibt, nichts mit Bodicote und den Büchern zu tun!«
Liam stockte mit dem Koffer in der Hand und drehte sich in der Tür um.
»Was willst du damit sagen?« Sie wollte sich nicht mit ihm streiten. Ein Streit am frühen Morgen hatte nur zur Folge, dass sie für den Rest des Tages aufgebracht war. Sie musste zur Arbeit. Sie musste einen klaren Kopf bewahren.
»Hör mal, fahr einfach, ja?«, sagte sie deshalb.
»Wir sehen uns heute Abend.« Er starrte sie an.
»Nimm ein Aspirin!« Er zögerte, als überlegte er, ob er noch weitere wirksame Heilmittel empfehlen sollte. Wahrscheinlich fiel ihm keins ein, und so sagte er nur:
»Trink einen von deinen Kräutertees! Du schwörst doch sonst so darauf.« Sie nickte. Liam zuckte die Schultern und ging nach draußen. Augenblicke später hörte sie seinen Wagen davonfahren. Kaum war er fort, kehrte Ruhe in die Küche ein, die Ruhe nach einem Sturm. Sally stand auf, ging zum Spülstein und drehte das heiße Wasser auf, um die Frühstücksteller abzuwaschen. Austin hatte sie gedrängt, nicht vor zehn Uhr mit der Arbeit anzufangen. Zeit, um vorher ein wenig aufzuräumen. Das Abwaschen erwies sich als gute Therapie. Sie fühlte sich stets sehr viel mehr als Herrin der Lage, wenn das Frühstücksgeschirr sauber weggeräumt und die
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