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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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und ging zum Schrank. Sie suchte nach einem Koffer für seine Sachen, wurde aber nicht fündig. Das Kofferset hatten ihr ihre Eltern zum Geburtstag geschenkt, sie würde es nicht für ihn opfern. Dann eben Plastiktüten.
    Es dauerte nicht so lange, wie sie gedacht hatte, alle Anzeichen von Marc aus ihrer Wohnung zu entfernen. Rasierer, Aftershave, Unterwäsche, sein Lieblingswein, Zigarren und der Humidor, den sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie überlegte, ob sie seine Geschenke auch zurückgeben sollte, endschied sich aber dagegen. Ein Frauenhaus würde sich über die Spende bestimmt freuen.
    Oder die Bahnhofsmission.
    Oder die Mülltonnen im Keller.
    Sie stellte die Tüten vor die Tür und setzte sich aufs Sofa. Wie immer wartete sie auf Marc. Das konnte sie gut. Zu gut. Wenn sie für jede Stunde Warten einen Dollar bekommen hätte, könnte sie bei der nächsten Wohltätigkeitslotterie sämtliche Preise abräumen.
    Warum wartete sie überhaupt auf ihn? Es war vorbei, endgültig. Nichts konnte ihre Meinung noch ändern, davon war sie überzeugt.
    Das Herz wurde ihr leichter. Das war zwar keine Wiedergutmachung für das, was sie seiner Frau und seinen Kindern angetan hatte, aber es war immerhin ein Anfang.
    Sie nahm Handtasche und Schlüsselbund und schob die Tüten unter das Vordach vor ihrer Tür. Marc würde sicher denken, sie wäre zu Hause, und lange nicht kapieren, warum ihm niemand aufmachte. Sie stellte sich vor, wie er vor ihrer Tür stand. Er klopfte. Er wartete. Er wunderte sich. Er wurde ungeduldig. Schließlich würde er aufgeben und ihr glauben, dass sie stark genug war, ihm zu widerstehen.
    Ohne festes Ziel fuhr sie nach Norden. Sie war bereits zwanzig Meilen gefahren, als sie merkte, dass sie zu Rachel unterwegs war. Das war der einzige Ort auf der Welt, wo sie eine Freundin vorfinden würde, dessen war sie sich sicher.
    Vollkommen unerwartet überfiel sie eine seltsame Sehnsucht nach ihren anderen beiden Schwestern. Elizabeth war schmerzlich vernünftig. Sie schützte mit allen Mitteln das kleine verletzte Mädchen in ihrem Inneren. Christina war jung, frech und widerspenstig. Selbstsicher ging sie keinem Kampf aus dem Weg und suchte nach dem Beweis dafür, dass auch sie ein liebenswertes Geschöpf war. Dabei rechnete sie stets mit Enttäuschungen.
    Trotz der schweren Bürde, die sie alle mit sich herumschleppten, hatten sie einen starken Charakter, der sich am Ende immer durchsetzte.
    Ginger verspürte einen merkwürdigen und tiefen Stolz darüber, dass sie durch ein unsichtbares Band mit ihnen verbunden war.

36
    Christina
    Christina betrachtete Ginger über den Esstisch aus Walnussholz hinweg. Ginger faszinierte sie. Sie sah immer aus, als wäre sie gerade einem Modemagazin entstiegen. Make-up, Frisur, Kleidung, Haut – alles perfekt.
    »Hast du eigentlich auch ab und zu einen schlechten Tag?«
    Ginger blickte von ihrem Avocado-Krabben-Salat auf.
    »Nein. Nie. Na ja, vielleicht früher auf der Schule. Ich versuche, mich nicht lang mit Dingen zu beschäftigen, die mich nerven.« Sie warf sich das Haar über die Schulter. »Ich steige morgens schon so aus dem Bett. Du nicht?«
    Christina fuhr sich unsicher mit der Hand durch die erst kürzlich geschnitten und gefärbten Haare. Lucy hatte ihr einen Friseur empfohlen. Und der hatte Wunder an diesem Durcheinander aus Pechschwarz und Pink auf ihrem Kopf gewirkt. »Okay. Ich gebe zu, dass das wahrscheinlich ein bisschen höhnisch geklungen hat. Aber das sollte es nicht. Ich bin wirklich neugierig, wie es jemand wie du schafft, immer so ordentlich auszusehen.«
    Ginger tupfte sich die Mundwinkel ab. »Jemand wie ich?«
    »Jemand, der so schön ist.«
    Zum Teufel, sie wollte doch nur das Mittagessen ein bisschen unterhaltsamer gestalten. Wenn sie schon gezwungen war, Zeit mit dieser Frau zu verbringen, konnte sie doch versuchen, sie besser kennenzulernen.
    »Ist dir noch nie aufgefallen, dass manche Leute einfach toll aussehen und andere ganz furchtbar? Vielleicht bemerkst du solche Dinge ja gar nicht.«
    »Wir sind alle Launen der Natur.«
    Das kam so ungezwungen, dass sie sicher darüber nachgedacht hatte. Wahrscheinlich sogar ziemlich viel.
    »Ist das komisch, anders zu sein als der Rest?«
    Ginger lächelte und entblößte dabei eine perfekte weiße Zahnreihe. »Willst du mir Honig um den Mund schmieren?«
    »Lass sie in Ruhe«, mischte sich Rachel ein. »Sie hat eine harte Woche hinter sich.«
    »Das habe ich auch«, sagte Elizabeth leise.

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