Ein Haus für vier Schwestern
was Großvater oder Enrique oder die Nachbarn davon halten würden. Als ich mit meinem gebrochenen Kiefer zu Hause aufgetaucht bin, hatte sie sofort eine tolle Geschichte parat, wie ich während einer Probe von der Bühne gestürzt bin. Ich hatte keine andere Wahl, als mitzumachen.«
Elizabeth wollte zuerst nichts dazu sagen, riskierte es aber dann doch. »War das ihre Idee, Ginger, Rachel und mir auch eine Lügengeschichte zu erzählen?«
Christina funkelte sie an. »Was willst du damit sagen?«
»Vielleicht wollte sie dich nur schützen.«
»Sie hat sich für mich geschämt.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Elizabeth sanft.
»Sie schämt sich immer für mich.«
Die Bedienung tauchte wieder auf. Elizabeth bestellte noch eine Runde, obwohl Christina ihr Bier noch nicht einmal zur Hälfte geleert hatte. »Warum glaubst du das?«
»Keine Chance. Das geht dich nichts an.«
»Lass gut sein, Christina. Was kann es denn schaden, wenn du mal etwas von dir erzählst? Glaubt du vielleicht, du bekommst am Ende deines Lebens einen Preis dafür, weil du alles brav für dich behalten hast?«
»Du lässt nicht locker, was?«
»Nein.«
»Na gut. Ich habe die hellste Haut in der ganzen Verwandtschaft.« Elizabeth schwieg. »Es ist offensichtlich, dass ich nicht dazugehöre. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass Enrique nicht der erste Mann meiner Mutter ist.«
»Und das ist schlimm?«
»In einem streng katholischen Umfeld? Machst du Witze?«
Ihre Getränke kamen. »Warum hat sie dich dann nicht bei Jessie gelassen?«
»Wahrscheinlich wollte der mich auch nicht.«
Der Schmerz in Christinas Stimme erwischte Elizabeth kalt. »Muckefuck.«
Christina lachte. »Kann man so sagen.«
Elizabeth trank aus und bestellte nach. »Ich bin überrascht, dass du trotzdem ziemlich wohlgeraten bist.«
»Danke, falls das ein Kompliment sein sollte.«
»Oh, es war ehrlich gemeint.«
Zehn Minuten später war Elizabeth mit ihrem vierten Cocktail fertig und machte sich über den fünften her. Christina starrte sie an.
»Schüttest du das Zeug immer so in dich rein?«, fragte sie.
Es war eine dieser vorurteilsbeladenen Fragen, bei denen Elizabeth nie wusste, wie sie darauf antworten sollte.
»Nein. Ich trinke eigentlich nie. Aber mach dir keine Sorgen, mir geht es gut.« Sie grinste breit. »Meine Kinder trinken das Zeug immer. Wie stark kann das dann schon sein? Außerdem schmeckt es gut, und ich habe Durst.«
»Also, ich finde, es schmeckt eher wie Spiritus.«
Elizabeth lachte – ein wenig zu lang und zu laut. Sie entspannte sich langsam. Offensichtlich hatte sie unterschätzt, wie sehr sie die Aussicht nervös gemacht hatte, Randy zu treffen. Sie genoss es wirklich, einfach herumzusitzen und mit Christina zu plaudern.
»Ich glaube, ich fange langsam an, dich zu mögen.«
Christina stöhnte und verdrehte die Augen. »Du bist ziemlich abgefüllt, oder? Wir sollten dir lieber was zu essen bestellen.«
»Nö. Da sind noch so viele Erdnüsse. Und ich bin noch nicht mal beschwipst.« Doch die Erdnüsse waren alle. Als sie die leere Schale nach oben hielt, nahm die Bedienung das für eine Bestellung und brachte die Erdnüsse plus ein Getränk.
»Das ist der letzte Cocktail«, sagte sie zu Christina. »Sobald ich fertig bin, gehen wir was essen.« Doch zuerst musste sie zur Toilette. »Ich bin gleich wieder da. Falls einer von Randys Freunden reinkommt, machst du nichts, bevor ich wieder da bin.«
»Und was soll ich machen, wenn sie mich entdecken?«
Elizabeth fand, dass Christinas Frage ziemlich sarkastisch klang. »Versteck dich einfach.«
Christina schüttelte den Kopf. »Na super, meine Leibwächterin ist beschickert.«
»Ich bin nicht beschickert«, widersprach Elizabeth.
Das war sie bestimmt nicht – jedenfalls fühlte sie sich nicht so. Bis sie aufstand. Der Raum drehte sich um sie. Ihre Hände und Füße waren taub. Sie konnte ihre Lippen nicht mehr spüren. Was war geschehen?
Sie hatte so etwas noch nie erlebt. Sie konzentrierte sich darauf, mit dem letzten bisschen Klarheit ihre Füße dazu zu bringen, sie zur Toilette zu tragen.
Mit einer Hand an der Stuhllehne stand sie reglos da und stellte sich vor, wie sie durch die Bar gehen musste. Sie konnte das. Ein Schritt nach dem anderen, immer schön um die Tische herum. Nein. Das würde sie nicht schaffen. Zu viele Hindernisse. Dann außenherum, von einer Nische zur anderen. Auf diese Weise konnte sie sich unbemerkt an den Lehnen der Stühle festhalten.
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