Ein Haus für vier Schwestern
oder?«
»Gewaltig.«
»Tut mir leid.«
»Fahr vorsichtig.« Sie scheuchte ihn zur Tür hinaus.
Normalerweise versprach er ihr das. Sie beobachtete dann immer, wie er ins Auto stieg, winkte zum Abschied, wenn er das Ende der Auffahrt erreicht hatte, und ging ins Haus, sobald er ihren Blicken entschwunden war.
Heute warf er seine Aktentasche auf den Beifahrersitz, kam zu ihr zurück und nahm sie in den Arm. »Wenn Stephanie wüsste, wie viel dir das bedeutet, würde sie heimkommen.«
»Ich werde darüber hinwegkommen«, sagte sie und schlang ihrerseits die Arme um ihn. »Ich muss mich nur erst an den Gedanken gewöhnen.«
»Weiß ich doch.« Er küsste sie auf die steile Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen. »Aber das dauert eben. Dir geht es heute nicht gut, und das tut mir weh.«
Seine Worte bewirkten zumindest, dass sie sich nicht so alleingelassen fühlte. »Vielleicht kommt ja noch etwas dazwischen, und sie taucht doch hier auf.«
»Sollte ich das nicht eigentlich zu dir sagen?«, fragte er.
»Nein. Du sagst zu mir, dass ich einkaufen gehen und mir etwas Schönes und Sinnloses kaufen soll.«
»Aua.« Er ließ sie los und ging zum Auto.
Bevor er am Ende der Auffahrt verschwunden war, hatte sie schon ein schlechtes Gewissen. Sie würde ihn später anrufen und sich entschuldigen.
Elizabeth nahm sich Zeit, um sich ein bisschen im Garten umzusehen. Die Schnecken hatten unter den fleißigen Lieschen gewütet. Sie sah nach, wie es um die Läuse auf den Rosen und das Unkraut auf den Beeten bestellt war.
Außerdem entdeckte sie verblühte Tulpen und Narzissen sowie einen toten Ast in der Birke. Im letzten Jahr hatte sie drei Gärtner beschäftigt, einer jünger und unzuverlässiger als der andere.
Da sie fand, dass es sie älter als achtundvierzig erscheinen ließ, sich über die Laxheit und den mangelnden Arbeitseifer der Jugend zu beklagen, beschwerte sie sich selten. Manchmal konnte sie den Mangel an Idealen, Normen und Zielen auch bei ihren eigenen Kindern oder Freunden nicht begreifen.
Der verdorrte Flieder neben dem Vogelhäuschen brachte sie dazu, über den Rasen zu gehen und nach der Bewässerung zu sehen. Sie hatte immer noch Probleme mit dem wassersparenden Tropfsystem, das Sam im Vorjahr installiert hatte.
Als sie das Haus vor zwanzig Jahren gebaut hatten, war auf dem fast fünftausend Quadratmeter großen Grundstück ein einfacher Garten angelegt worden, den Sam samstags mit dem Aufsitzmäher und einem Kantenschneider in Ordnung halten konnte. Doch über die Jahre hatte sie Blumen und Sträucher gepflanzt, während Sam einen Pool und einen Grill hinzufügte. Ihr Garten wurde zum arbeitsintensiven Schmuckstück der gesamten Nachbarschaft. Die Gartenseite der Fresno Bee widmete ihm zwei Beträge, und in jedem Frühjahr bekam sie Besuch von Gartenbauvereinen und Blumenfreunden.
Die Arbeit hatte ihr nichts ausgemacht, solange die Kinder zu Hause gewesen waren. Da gab es fast jedes Wochenende eine Party, und ihre Freunde wussten ihre Anstrengungen zu schätzen. Doch jetzt wurde nur noch ab und zu mit Freunden oder den Angestellten eines Ladens gegrillt. Meist saß sie nur am Samstagmorgen mit Sam zum Kaffeetrinken und Zeitunglesen draußen.
Sie war jetzt drei Jahre »arbeitslos«, und das machte sie verrückt. Wenn sie nicht bald etwas fand, was sie beschäftigte, wenn sie nicht endlich einen Grund fand, jeden Tag aufzustehen, dann würde sie in Kürze den Verstand verlieren. Und Sam mit in den Abgrund ziehen. Sie wusste, dass ihm ihre Stimmungsschwankungen aufs Gemüt schlugen. Deshalb riss sie sich auch zusammen. Doch mit Blei an den Füßen konnte man schlecht durchs Leben schweben.
Elizabeth beugte sich hinunter, um den Boden um den Fliederbusch zu begutachten. Trocken und steinhart. Sie zupfte ein Blatt ab und rollte es zwischen ihren Fingern. Es war noch feucht. Der Strauch brauchte nur ordentlich Wasser.
Als sie zum Haus zurückging, fuhr gerade ein Kurierfahrzeug vor. Nur Sekunden später sprintete ein junger Mann die Einfahrt herauf, ein Klemmbrett in der einen und einen Umschlag in der anderen Hand.
Elizabeth winkte. »Hier bin ich.«
Er lächelte und kam über den Rasen auf sie zu. »Toller Garten«, sagte er.
»Danke schön.« Sie hatte angenommen, der Brief wäre für Sam, doch sie entdeckte ihren Namen auf dem Umschlag. Von einer Anwaltskanzlei in Sacramento. Sie kannte niemanden dort, konnte sich noch nicht einmal erinnern, wann sie zum letzten Mal da gewesen war.
Der Bote
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