Ein Haus für vier Schwestern
Familie in Kalifornien widerfuhr, meinen Vater zerstören würde. Zwei Jahre nach dem Umzug hat er aufgehört zu sprechen, und ein weiteres Jahr später aß er nichts mehr.
Nachdem Pa verkündet hatte, es hätte nichts mehr auf dem Pick-up Platz, ließ Ma alle zur Verabschiedung antreten. Meine Schwester Rose umarmte mich, aber mein Bruder Bobby Ray weigerte sich. Er boxte mich so fest an den Arm, dass ich das unpassend fand und zurückschlug. Nur das Eingreifen meiner Großmutter verhinderte eine Prügelei. Sie legte ihre Hände auf meine Schultern, hielt mich fest und sah mich an. Es war, als wüsste sie ganz genau, dass es das letzte Mal sein würde.
»Du musst nicht allein hierbleiben. Du kannst nichts mehr ändern, es ist aus und vorbei damit, Jessie. Lass es bleiben und komm mit uns nach Kalifornien.«
Irgendwie war sie von der Vorstellung besessen, ich würde auf der Farm bleiben, um sie weiterzuführen. Mein Vater wollte ihr nicht erzählen, dass sie uns nicht mehr gehörte, dass die Bank sie uns weggenommen hatte.
»Ich muss es versuchen, Grandma.« Ich dachte, das wollte sie hören.
Als mein Vater mit dem Verabschieden an der Reihe war, schüttelte er meine Hand, als sei ich nicht mehr nur sein Sohn, sondern ein erwachsener Mann. »Benimm dich anständig, Jessie.«
Ma weinte, umarmte mich und drückte mich fest. Es schmerzte sie, mich zurückzulassen. Dabei flüsterte sie mir zu: »Wenn es nicht so läuft, wie du hoffst, suchst du uns.«
»Mache ich.«
Damit gab sie sich nicht zufrieden, packte mich an den Handgelenken und sah mir tief in die Augen. »Versprich mir das.«
»Ich verspreche es.« Das meinte ich auch so. Ich hatte wirklich vor, eines Tages bei ihnen in Kalifornien aufzutauchen. Doch nicht als Bittsteller, nein. Ich würde mit den Taschen voll Geld kommen und ihnen eine neue Farm kaufen.
Ma blickte nicht zurück, als der Pick-up vom Hof auf die Straße fuhr, nur mein Bruder und meine Großmutter. Und dann nur noch Bobby Ray. Er stand hinten auf der Ladefläche, auf den Truhen und Matratzen, Töpfen und Pfannen. Seine Arme kreisten in der Luft, als wollte er mir zujubeln. Er war wohl nicht mehr sauer auf mich, weil er nicht bei mir bleiben durfte.
Das war das letzte Mal, dass ich meinen Bruder gesehen habe. Ich versuchte mich oft zu erinnern, ob ich ihm jemals mit einem Blick oder mit Worten gezeigt hatte, dass er der beste Bruder der Welt gewesen war. Dass ich ihn geliebt hatte. Aber da war nichts. Bobby Ray mochte keine Gefühlsduselei und hätte mir eine verpasst, wäre ich ihm mit so etwas gekommen.
Ich stand wie festgewurzelt auf dem Hof, bis von ihnen nur noch eine dünne Staubwolke in der Ferne zu sehen war. Sobald es mir sicher schien, dass sie nicht zurückkommen würden, um etwas Vergessenes zu holen, ging ich ins Haus. Ich holte den Koffer, den ich mit Ma im Schlafzimmer versteckt hatte.
Ich sah mich ein letztes Mal im Haus um. Mir war klar, dass ich nicht zurückkehren würde. Die Leintücher meiner Mutter hingen noch unter den Decken. Damit fing sie den Kalk und Staub auf, der beständig herunterrieselte. Bis zu diesem Tag hatte sie die Laken jeden Morgen vor dem Frühstück gewechselt, so wie sie immer fegte und abstaubte und die Fenster gegen den Staub abdichtete. Wir anderen hatten uns derweil den Dreck abgewaschen, der sich über Nacht auf unserer Haut abgesetzt hatte. Trotz all ihrer Bemühungen konnten wir schon wieder unsere Namen auf den Rand unserer Teller malen, bevor die Eier gebraten waren. War es windig, musste meine Schwester die Teller vor und nach dem Essen spülen. Trotzdem knirschte der Dreck zwischen unseren Zähnen.
Ich hatte immer mit der Wäsche geholfen und das Waschwasser drei- oder viermal gewechselt, bis es sauber genug aus dem Hahn kam. Mit dem Schmutzwasser wurde der Gemüsegarten gegossen. Sobald Ma die Wäsche draußen aufgehängt hatte, musste ich darauf achten, ob Wind aufkam, damit unsere Mühe nicht umsonst war. Manchmal klappte das, meistens aber nicht.
Mutter war immer als Letzte zu Bett gegangen. Mitten in der Nacht stand sie dann auf, um nach dem Laken über dem Bett meiner Schwester und den feuchten Tüchern auf meinem und Bobby Rays Gesicht zu sehen. Morgens erwachten wir nicht von den ersten Sonnenstrahlen, sondern weil einer von uns etwas aushustete, das aussah wie Tabakssaft.
Vater hatte bis ganz zum Schluss versucht, die Felder zu bestellen. Dabei konnte er keinen Meter weit hinter den Traktor sehen. Bobby Ray und ich
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