Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
Vom Netzwerk:
gingen die Reihen ab, er folgte uns. Die Scharen der Egge gruben sich in den Boden, und der Wind trug die Hälfe der Erde weg.
    Ich erinnerte mich, dass wir abends auf der Veranda gesessen und uns gefragt hatten, wohin der Wind die Erde wehte. Halb Texas, Oklahoma, Kansas, Nebraska, Dakota und Missouri hatten sich in Staub aufgelöst und schwebten irgendwo da draußen in der Luft herum. Bobby Ray war voller Hoffnung gewesen, der Dreck würde geradewegs nach New York fliegen und die Banker unter sich begraben.
    Lange wanderte ich noch im Haus umher, allein. Als ob ich etwas suchte.
    Die Matratzen waren verschwunden, aber nicht die Bettgestelle. In den Schränken befanden sich noch Kleidungsstücke, die aussortiert worden waren, Leintücher und Geschirr, für das meine Mutter lang gespart hatte.
    Ich wanderte von Zimmer zu Zimmer, bis die Stille und Leere mir klargemacht hatten, dass das nicht mehr mein Zuhause war. Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hätte, würde es keinen Grund mehr geben zurückzuschauen.
    Ich hatte einen Kloß im Hals, wenn ich daran dachte, dass ein Banker entscheiden würde, was man noch verkaufen konnte und was auf den Abfallhaufen kam. Das machte mich zornig. Meine Wut auf den Wind, die Dürre und den Staub, der Zorn darüber, dass meine Ma ihren Schrank, mein Vater seinen Stolz verloren hatte und ich nichts dagegen tun konnte – das alles konzentrierte sich auf einen Namen: auf die Guymon First National Trust Bank.
    So blieb mir nur noch eins übrig. Ich stellte meinen Koffer auf die Veranda und wuchtete Mutters Schrank zurück ins Haus. Dann wartete ich auf den Sonnenuntergang. Am Horizont tauchte ein Staubwirbel auf. Vögel flogen vor der tödlichen Wolke, die schwächeren fielen sterbend vom Himmel.
    In einem Staubsturm erstickten sogar Kaninchen, Kojoten und andere Wildtiere. Manche in ihrem Bau, manche auf der Suche nach Schutz. Sie legten sich einfach hin und gaben auf.
    Ich schwor mir, dass mir das nicht passieren würde. Ich war sechzehn, nichts und niemand würde mich hindern, meine Ziele zu erreichen. Keiner konnte mich aufhalten.
    Wind kam auf. Gerade genug, um mir zu helfen. Ich ging in die Küche und holte die Streichhölzer aus der Schublade neben dem Ofen. Die Kleidung in den Schränken brannte sofort. Ich musste rennen, um rechtzeitig in die anderen Zimmer zu kommen.
    Bevor ich zur Haustür hinausstürmte, stand ich im Wohnzimmer und sah, was ich vollbracht hatte, spürte die Macht. Die Hitze versengte mein Gesicht und trocknete die ersten Tränen, die ich seit meinem fünften Lebensjahr vergoss. Damals hatte ich mitansehen müssen, wie mein Großvater von einem Bullen aufgespießt wurde.
    Draußen blieb ich gerade so lange stehen, bis ich sicher war, dass der Wind mein Werk vollenden würde. Dann drehte ich mich um und machte mich auf den Weg nach Oklahoma City.
    »Jetzt verstehe ich endlich, warum du etwas gegen Banken hast«, sagte Lucy.
    Ihre Worte holten Jessie zurück in die Gegenwart. »Da ist etwas mit mir durchgegangen, entschuldige bitte.« Er genierte sich. »Es gibt nichts Langweiligeres, als einen alten Sack über seine Vergangenheit schwadronieren zu hören.«
    Sie widersprach nicht, das würde ihn nur noch mehr verärgern. Sie sah ihn nur an.
    »Was ist?«
    »Ich versuche, mir vorzustellen, wie du mit sechzehn warst.«
    Er kicherte. »Ich war klein, dürr und hatte einen wilden Haarschopf, der nicht zu bändigen war.
    Ihre Vorspeisen kamen. Lucy inszenierte ihren ersten Bissen, leckte sich die Lippen und schloss verzückt die Augen.
    »Gut so«, sagte Jessie.
    »Merk es dir gut. Es wird die Zeit kommen, da musst du meine restlichen neunzehn Fragen beantworten.«

7
    Lucy
    Nach dem Mittagessen chauffierte Lucy Jessie zu dem Treffen und bestand trotz seines Protests darauf, dass sie die Kanzlei durch den Hintereingang betraten. Sie wollte, dass er einen kleinen Vorteil gegenüber seinen Töchtern hatte, und sei es nur, dass sie am Ende auf ihn zugehen mussten.
    Sie setzte ihn in das kleine Besprechungszimmer, an das Kopfende des Tischs genau gegenüber der Tür. Dann brachte sie ihm Kaffee mit einem kleinen Schuss von seinem Lieblingsbourbon. Er nahm einen Schluck und blickte sie fragend an. Sie lächelte und überkreuzte die Finger.
    »Hör auf, dir Sorgen zu machen.« Er schob die Kaffeetasse zur Seite. »Auch wenn sie nur auftauchen, um mir zu sagen, dass ich zum Teufel gehen soll – das ist immer noch kurzweiliger, als einfach abzuwarten, bis der

Weitere Kostenlose Bücher