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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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einen Funken der Liebe empfinden, die sie einst vereint hatte.
    Überwältigt von seinen Gefühlen und für einen Augenblick sprachlos, wies Jessie auf die Stühle rund um den Tisch. Er wartete, bis seine Töchter saßen, und ließ sich dann ebenfalls nieder. Die Aufregung hatte ihn unaufmerksam gemacht, und er setzte sich zu schnell. Eine Welle des Schmerzes schoss durch seine Hüfte und erinnerte ihn an seinen Zustand.
    »Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie ihr wohl als erwachsene Frauen aussehen würdet. Aber ich sehe, dass meine Vorstellungskraft der Wirklichkeit nicht gerecht geworden ist.« Er lächelte sie an. Keine Reaktion. »Ihr seht alle ganz anders aus.« Seine Hand zitterte, er wollte die Fotos hervorholen, änderte dann aber seine Meinung. Es war zu früh dafür.
    »Ihr werdet euch fragen, warum ich euch gebeten habe zu kommen.« Er musste sich zwingen, nicht dauernd Christina anzustarren. Die Erinnerungen an sie als kleines Mädchen überwältigten ihn genauso wie damals bei der Aufführung in Tucson. Aber aus der Nähe konnte er sehen, dass sie in keiner Weise eine leicht veränderte Ausgabe ihrer Mutter war, was er damals geglaubt hatte. Wenn sie ihren Kopf bewegte und nervös an ihrem schwarzen Haar nestelte, glich sie seiner Schwester Rose.
    »Ich wollte euch ein paar Dinge erklären und mich entschuldigen. Das ist wenig genug, vielleicht zu wenig nach all dieser Zeit. Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es euch helfen würde, zu wissen, dass ich euch damals nur verließ, weil ich es für das Beste hielt.« Das wollte er eigentlich gar nicht sagen. »Das hört sich aus heutiger Sicht wahrscheinlich unsinnig an, aber ich hielt es wirklich für richtig. Außerdem waren sogenannte Fachleute ebenfalls dieser Meinung.« Er versuchte, etwas zu beschönigen, wofür es keine Beschönigung gab. »Natürlich haben sie inzwischen ihre Meinung geändert«, fuhr er fort und verlor völlig den Faden. »Was uns heute allen zum Guten gereicht.« Jetzt schwafelte er auch noch.
    Christina lauschte seinen gestelzten Worten misstrauisch. Ginger und Rachel dagegen betrachteten ihn gleichermaßen feindselig und mit angewiderter Neugier. Jessie hatte auf eine Art von Verbindung gehofft, auf einen Funken, der übersprang, wie in den Büchern, die er gelesen, und den Filmen, über die er gelacht hatte. Aus Fremden waren schnell Freunde geworden, weil es ihnen so bestimmt schien. Ja, Gingers Augen weckten in ihm vertraute Gefühle, und Rachel hatte die Sommersprossen ihrer Mutter geerbt – doch davon abgesehen, waren ihm seine Töchter fremd.
    »Vielleicht seid ihr aber gar nicht gekommen, weil ich euch darum gebeten habe«, fuhr Jessie fort, um ihnen einen Aufhänger zu liefern. »Vielleicht habt ihr ja eure eigenen Gründe.«
    Wieder wartete er vergeblich auf eine Reaktion. Die steigende Spannung war fast mit Händen zu greifen. Dann endlich übernahm Rachel die Führung. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl nach vorn, legte die Hände auf den Rand des antiken Kieferntisches und enthüllte dabei eine teure goldene Armbanduhr unter der Manschette ihres makellosen Ärmels. Ihre Stimme klang trügerisch ruhig. »Ich weiß nicht, wie es bei den anderen ist, aber ich war neugierig. Ich wollte wissen, was für ein Mann du bist.«
    »Weiter«, forderte Jessie sie auf. Er bewunderte die Art, wie sie den Stier bei den Hörnern packte.
    »Um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich enttäuscht. Ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe, aber das sicher nicht. Du siehst so …« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich kann es nicht anders ausdrücken. Du siehst so gewöhnlich aus. Mir ist völlig schleierhaft, was meine Mutter an dir gefunden hat. Was überhaupt eine Frau dazu gebracht hat, etwas an dir zu finden.«
    Jessie musste über ihren Kampfgeist lächeln. »Gewöhnlich ist der richtige Ausdruck. Ich selbst habe mich immer dafür gehalten, Rachel. Aber du solltest deshalb nicht glauben, dass deine Abstammung nichts Besonderes ist. Die Reeds und die Boehms haben viele außerordentliche Frauen hervorgebracht. Meine Mutter …«
    Sie fiel ihm ins Wort. »Was ist mit den Männern? Waren die nicht außerordentlich? Oder blieb den Frauen gar nichts anderen übrig, als außerordentlich zu werden, nachdem ihre Männer sie mit den Kindern sitzenließen? Wie viele Frauen hatte denn dein Vater? Habe ich überall im Land Verwandte zweiten Grades oder zeichnet Untreue nur speziell deinen Charakter aus?«
    Damit war sie zu weit gegangen. »Ich

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