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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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von einer Wäscheleine zwischen Seiling und Oakwood und wickelte meine Habseligkeiten hinein.
    Um nicht zu verhungern, klopfte ich an die Hintertüren der Farmhäuser und bettelte um Essen. Bald hatte ich herausgefunden, dass der frühe Morgen und der späte Vormittag die beste Zeit dafür waren. Dann fiel es nicht auf, wenn eine Kelle oder zwei aus dem Topf fehlten oder ein Stück vom Brot. Mein Angebot, für das Essen zu arbeiten, wurde ebenso oft angenommen wie abgelehnt.
    Ich schlief in Scheunen, wenn es welche gab, und im Straßengraben, wenn nicht. Nie tat ich mir leid oder verdammte mein Schicksal, denn ich traf dauernd Leute, denen es schlechter ging als mir. Ich war sechzehn und frei. Meine Träume waren so hochfliegend, dass die Möglichkeit, zu studieren, mir wie ein Trostpreis vorgekommen wäre. Ich musste niemandem Bericht erstatten, war keinem verpflichtet und überzeugt davon, dass mir alle Wege offen standen, die mir zu beschreiten in den Sinn kamen.
    Aber natürlich strauchelte ich auf der Straße zum Ruhm ein- oder zweimal. Ich erfuhr, dass mein Stolz es mir nicht verbot, verschüttete Bohnen mit Soße von einem Felsen abzulecken oder die Überbleibsel auf dem Teller eines Fremden in einem Restaurant zu essen. Außerdem war ich durchaus in der Lage, ein hübsches Mädchen um ein Almosen zu bitten. Mit der Zeit wurde ich im Betteln so gut, dass ich ernsthaft zweifelte, als ich damit aufhören wollte. Ich musste mir selbst versprechen, es gut sein zu lassen. Sobald ich auf den Ölfeldern einen Job gefunden hätte, würde ich lieber verhungern, als Geld oder Essen anzunehmen, für das ich nicht gearbeitet hätte.
    Schließlich erwischte ich zwanzig Meilen vor Oklahoma City die richtige Mitfahrgelegenheit. Ich hielt einen Lastwagen an, der Röhren geladen hatte. Vermutlich hatte der Fahrer ein Ziel, wo auch ich hinwollte. Er nahm mich mit auf die Sudik Farm, auf der bis vor fünf Jahren viele Kühe geweidet hatten. Bis Wild Mary Sudik aus der Erde hervorbrach, die Kühe und Bauern vom Land vertrieb.
    Wild Mary war die größte Ölkatastrophe der damaligen Zeit und in Oklahoma eine Riesensensation gewesen. Radiosender hatten Reporter vorbeigeschickt, um den Hörern draußen im Land die Unglücksgeschichte zu erzählen. Ich war damals elf gewesen, schon ziemlich sensationslüstern und außerdem schlau genug, keinem zu erzählen, dass ich insgeheim hoffte, der unkontrollierte Ausbruch würde sehr lange dauern. Die ganze Zeit hatte ich meinen Vater mit Fragen gelöchert, von denen die meisten mit Warum begannen.
    Mit gefiel es, den Augenzeugen zuzuhören, den Beschreibungen zu lauschen, wie die Ölfontäne hochschoss und wie das Erdgas die schweren Bohrgestänge in die Luft schleuderte, als wären es Strohhalme. Gerade dass ich nicht begeistert in die Hände klatschte, als ein paar Tage später das Unglück seinen Lauf nahm. Der Wind hatte gedreht und trieb den Gas- und Öldunst über Oklahoma City hinweg. Viele Meilen im Umkreis traute sich niemand mehr, ein Streichholz anzureißen, zu kochen oder den Kamin anzuheizen. Sogar an den benachbarten Bohrlöchern wurde die Arbeit eingestellt, um die Brandgefahr zu verringern.
    Elf Tage lang hatte das Bohrloch Öl und Gas gespuckt und dabei so laut gebrüllt, dass die Pipelinespezialisten, die sie abdichten wollten, Ohrenschützer tragen mussten. Das Öl war überall auf der Erde und im Wasser. Später hörte ich irgendwo, dass sie über eine Million Liter Öl aus Teichen, Flüssen und Gärten abgesaugt hätten. Keiner wagte jedoch eine Äußerung dazu, wie groß die Menge des verschwendeten Öls insgesamt gewesen war.
    Nun stand ich genau auf diesem Stückchen Land, wo sich all das ereignet hatte, sah die Pumpen, die das schwarze Gold hoben und Menschen damit reich machten. Ich stand am Rand eines von Menschenhand geschaffenen Stangenwaldes. Der Geruch, der Anblick und die Geräusche bahnten sich einen Weg in mein Gehirn und erfüllten meine Seele. Ich bekam Gänsehaut auf den Armen, und mein Nackenhaar stand zu Berge. Vor mir lag meine Zukunft, mein Reichtum – niemand konnte mich von dieser Überzeugung abbringen.
    Einen Monat später hatte ich zwar ein bisschen Geld in meinem Sparstrumpf. Aber es war zu wenig für ein Zimmer in einer Pension. Ich arbeitete immer einen oder zwei Tage an einem Bohrloch, tat, was getan werden musste, und zog dann weiter zum nächsten. Ungelernte Arbeiter waren nicht sehr gefragt, solange viele Männer, die ihr Leben auf den

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