Ein Haus für vier Schwestern
Ich heulte wie ein Baby und bat sie zu bleiben. Ich versprach Dinge, die ich nie hätte halten können, nur damit sie nicht ging.
»Du bist ein guter Junge, Jessie«, sagte sie. Mein Kopf ruhte zwischen ihren vollen Brüsten. »Ich werde mich an dich erinnern, das ist doch schon was.« Dann richtete sie mich auf und setzte mich auf die Bettkante.
Das Zelt war klein und eiskalt. Die einzige Wärmequelle war ein gusseiserner Ofen, der fürchterlich qualmte. Es wurde von einer Laterne erleuchtet, die in der Zeltverstrebung hing. Ich wusste, dass nach Sonnenuntergang keinem etwas verborgen blieb, was in Wynonas Zelt vor sich ging. Aber nicht einmal das konnte mich bremsen.
Wynona wickelte sich in eine indianische Decke. »Es wird Zeit, dass du weiterziehst, Jessie. George und ich, wir brechen morgen in aller Herrgottsfrühe auf und fahren nach Hause. Meine Kinder haben mich so lange nicht mehr gesehen, dass sie wahrscheinlich nicht mehr wissen, wer ich bin.«
Die Frau, die ich liebte, war Mutter. Verheiratet. Ich griff nach meinen Hosen und schlüpfte hinein. »Was für ein Ehemann ist denn George? Er lässt zu, dass du mit anderen Männern schläfst, während er fast danebensteht? Wäre ich dein Mann …«
Wynona lachte. »George ist nicht mein Mann. Er passt nur auf mich auf, damit mir nichts passiert.«
»Aber du hast doch Kinder!«
Sie sah mir tief in die Augen. »Wie alt bist du eigentlich?«
»Was ist das denn für eine Frage?«
»Du bist ein lieber Junge, Jessie.« Sie reichte mir mein Hemd. »Aber du musst noch viel lernen, bis du als Mann durchgehst.«
»Du brauchst George nicht. Ich kann auf dich aufpassen.« Anstatt mich nach draußen zu tragen, knickten meine Beine wieder ein, und ich saß erneut auf dem Bett.
Wynona hob mein Kinn mit ihrer Hand an, bis ich ihr in die Augen sehen musste. »Hast du schon mal was von Frauen gehört, die andere Frauen lieben?«, fragte sie mit sanfter Stimme.
Hatte ich nicht, konnte ich aber nicht zugegeben, also nickte ich.
»So ist es auch mit mir. So gern ich dich auch habe, Jessie, lieben könnte ich dich nie. Jedenfalls nicht so, wie du es gern hättest.«
Es war komisch. Ich fühlte, wie sie mir das Herz brach, und gleichzeitig wusste ich, dass alles in Ordnung kommen würde.
Jessie hielt inne, als Rhona in der Tür erschien. Sie arbeitete schon fast so lange für ihn, wie er in Sacramento war. Nichts konnte sie erschüttern. Auch nicht, dass es so aussah, als würde er sich mit seiner Hand unterhalten.
»Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte sie. »Aber es ist Zeit für die Tabletten.«
»Du störst nicht«, antwortete Jessie. Er schaltete das Gerät ab und warf das Mikrofon auf den Tisch. »Ich bin fertig mit dem Quatsch.« Keinen Menschen interessierte das Gewäsch eines alten Mannes über seine glorreiche Jugend. Lucy sorgte einfach auf ihre Art dafür, dass er etwas zu tun hatte, gab seinen Tagen einen Sinn.
Rhona reichte ihm die Tabletten und ein Glas Wasser. Vor einem Monat hätte er sie noch alle auf einmal hinunterbekommen. Jetzt musste er langsam eine nach der anderen nehmen.
»Mein Onkel war im Ölgeschäft«, sagte sie. Jessie trank das Wasser aus und reichte ihr das Glas zurück. »Er war Ölsucher in Südamerika. Mein Vater hat ständig über das Geld gesprochen, dass er verdient hatte.« Sie lächelte weise. »Meine Mutter erzählte mir dann, dass er mehr ausgab, als er einnahm.«
»Das ist wohl meistens so.«
»Nicht bei Ihnen.«
»Nur die letzten zwanzig Jahre nicht. Davor gab es ein Rauf und Runter wie an der Börse.«
Sie schnaubte. »Vielleicht sollten Sie den Kerlen an der Wall Street sagen, wie man das hinkriegt.«
Jetzt musste Jessie lächeln. »Das ist kein Geheimnis. Man muss einfach aufhören, wenn man im Plus ist.«
15
Rachel
Rachel fuhr auf den Parkplatz neben dem Fußballfeld, als nur noch zwei Minuten in der zweiten Halbzeit zu spielen waren. Viele Mütter und ein paar Väter standen an den Seitenauslinien. Manche rannten aufgeregt hin und her, andere saßen auf Klappstühlen. Sie öffnete die Tür, konnte aber nicht aussteigen.
Ihr war klar gewesen, wie schwer es ihr fallen würde, diesen Leuten gegenüberzutreten. Schließlich hatten gerade sie dabei zugesehen, wie die Affäre zwischen Jeff und Sandy sich entwickelte. Während des Trainings, wenn sie in der Arbeit gewesen war. Sie hatten die Seitenblicke, das Lächeln und die wachsende Vertrautheit beobachten können. Doch am Wochenende, wenn sie zu den Spielen
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