Ein Haus für vier Schwestern
kam, hatte sie kein Wort darüber gehört.
Sie wusste, dass sie nicht fair war. Sie wusste, dass es falsch war, zu denken, einer von ihnen hätte Jeff beiseite nehmen können. Er hätte ihn fragen können, ob ihm klar wäre, was er da machte, was er riskierte. Vielleicht wäre die Affäre dann vorbei gewesen, bevor sie angefangen hätte. Letzten Endes versuchte sie damit aber nur, die Schuld einem anderen in die Schuhe zu schieben. Die Schuld lag bei Jeff und nur bei Jeff. Trotzdem fragte sie sich, ob es zu viel verlangt war, dass man ihr eine Warnung zukommen ließ.
Aber konnte sie wirklich sicher sein, dass es keiner versucht hatte?
Die Wut und die vorgetäuschte Tapferkeit, auf die sie gezählt hatte, um diese erste Begegnung zu überstehen, wurden völlig von dem Gefühl der Erniedrigung überdeckt. Was hatte sie nur bei dem Vorschlag geritten, die Kinder ausgerechnet nach Cassidys Fußballspiel zu übergeben. Was zum Teufel wollte sie damit beweisen, dass sie sofort nach ihrem Umzug einen Anwalt mit der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche bei Jeff beauftragt hatte?
Hätte sie Cassidy nicht versprochen zu kommen und hätte sie nicht schon die letzten drei Spiele versäumt, weil sie die wissenden Blicke der anderen Eltern nicht ertrug, wäre sie nicht ausgestiegen. Aber es war das vorletzte Spiel der Saison. Sie hatte es versprochen.
Sie blieb jedoch beim Auto stehen und fühlte sich jedes Mal schuldig, wenn Cassidy sie mit ihren Blicken an der Seitenauslinie suchte. Das Spiel endete unentschieden, drei zu drei. Die Mannschaften reihten sich an der Mittellinie auf und klatschten sich flüchtig ab. Mütter und Väter sammelten Stühle, Taschen und Decken zusammen. In der Zwischenzeit besprach der Trainer das Spiel mit ihren Töchtern, schwor sie noch einmal aufeinander ein und verteilte Kleinigkeiten zum Essen.
Cassidy stand abseits von ihren Mannschaftskolleginnen und musterte die Elternschar auf der Gegenseite des Spielfelds. Jemand bot ihr etwas zu trinken an, das sie mit einem Kopfschütteln ablehnte. John sprang um sie herum, wie Fünfjährige das tun, wenn sie die Aufmerksamkeit ihrer älteren Schwester erregen möchten. Jeff kam und legte Cassidy die Hand auf die Schulter, verstellte ihr dabei unbeabsichtigt den Blick. Dann ging sie um ihn herum und entdeckte Rachel schließlich.
Verwundert darüber, dass ihre Mutter auf dem Parkplatz stand, winkte sie ihr zaghaft zu. Rachel lächelte und winkte zurück. Jetzt musste sie reagieren, ihnen zumindest auf halbem Weg entgegenkommen.
Es ging nicht; ihre Füße verweigerten jeden Schritt in diese Richtung. Seit wann war sie so ein Feigling?
Jeff drehte sich um, sah sie und schien die Situation sofort zu erfassen. Er packte John mit einer Hand, die Sporttasche mit der anderen und lief in ihre Richtung. Cassidy rannte voraus.
Rachel wartete, zu Tränen gerührt von seiner Aufmerksamkeit und gleichzeitig verärgert.
»Hast du mein Tor gesehen?«, schrie Cassidy.
»Habe ich. Ich fand es super. Und der Pass in der letzten Viertelstunde war einfach brillant.« Sie umarmte ihre schöne, verschwitzte Tochter ganz fest.
Cassidy lehnte den Kopf zurück und sah Rachel an. »Wie lang bist du schon da?«
»Seit Beginn der zweiten Halbzeit.«
»Warum hast du nicht mit Daddy und John geguckt?«
Die kleine Lüge lag ihr schon auf der Zunge. Sie würde Cassidy zufriedenstellen und von weiteren Fragen abbringen. Lügen und Halbwahrheiten waren in ihrem neuen Leben ziemlich häufig geworden. Würde sie am Ende das Vertrauen zerstören? »Ich fand es im Auto bequemer.«
»Weil Daddy und du euch scheiden lasst?«
Obwohl es offensichtlich genau das war, worauf sie und Jeff zusteuerten, hatten sie noch nie offen darüber gesprochen. Zumindest nicht miteinander. »Wo hast du das denn her?«
»Von Beckys Mutter.«
»Wer ist Becky? Eine deiner Freundinnen?«
»Die Neue in der Mannschaft.« Cassidy drehte sich um und deutete mit dem Finger auf sie. »Da, neben Trainer Brady.«
John war ungeduldig geworden und ließ die Hand seines langsamen Vaters los. Er rannte auf Rachel zu. Sie umarmte ihn, ohne Cassidy loszulassen, und küsste ihn auf den Kopf. Mit einem Blick auf Jeff fragte sie: »Weiß eigentlich die ganze Welt über unser Privatleben Bescheid?«
»Keiner weiß was, Rachel. Sie stellen nur Vermutungen an.«
Wie war das noch? Man schätzt das, was man hat, erst dann, wenn es weg ist. Rachel begann langsam zu verstehen, dass sie mit Jeff gleichzeitig ihren
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