Ein Haus für vier Schwestern
besten Freund verloren hatte. Sie hatte niemanden, mit dem sie über das sprechen konnte, was mit ihnen geschah. Keiner gab ihr gut gemeinte Ratschläge und versprach ihr ein besseres Leben am Ende dieser Höllenfahrt. Nachts, wenn die Einsamkeit sie überfiel, konnte sie sich vorstellen, eines Tages über seine Affäre hinwegzukommen. Aber würde sie ihm jemals die Zerstörung ihrer Freundschaft verzeihen?
Mehrere Eltern kamen in ihre Richtung. »Hast du ihre Sachen mitgebracht?«, fragte sie Jeff.
»Die Koffer sind im Auto.« Er sah sie scharf an. »Soll ich sie gleich holen?«
Seine Frage machte ihr vollends klar, dass es ein Fehler gewesen war, diesen Treffpunkt vorzuschlagen. Sie standen regelrecht auf dem Präsentierteller. Im vergangenen Monat war sie an den Wochenenden im Haus geblieben, während Jeff in ein Motel zog. Sie versuchten herauszufinden, was für die Kinder am besten funktionierte.
Am Ende entschied sie jedoch in einer schlaflosen Nacht, dass es besser war, wenn Jeff im Haus blieb und sie sich ein Apartment suchte. Er kümmerte sich mehr um die Kinder, musste sie zur Schule bringen, sie wieder abholen und die ganzen Kleinigkeiten erledigen, die ihr Leben ausmachten.
Heute würden die Kinder zum ersten Mal in ihrem neuen Apartment übernachten. Sie war so mit den Vorbereitungen beschäftigt gewesen, damit alles glatt ging, dass sie das Wichtigste übersehen hatte.
»Soll ich die Sachen später vorbeibringen?«, schlug Jeff vor.
Diese Nettigkeit, die so typisch für Jeff war, machte sie rasend. Sie wollte, dass er sich so unauffällig und hinterlistig benahm wie während seiner Affäre. Sie wollte nicht daran erinnert werden, warum sie ihn geliebt hatte. »Ich habe was vor.«
»Dann fahre ich hinter euch her.«
»Okay.« Ihre Sturheit grenzte an Idiotie.
Rachel öffnete die Tür zum Rücksitz. John stieg zuerst ein und krabbelte auf die andere Seite, Cassidy folgte ihm und ließ die Tür halb offen stehen.
»Cassidy muss morgen um drei auf eine Geburtstagsparty. Wenn das für dich einfacher ist, kann ich sie bei dir abholen und hinbringen.«
Rachel nickte. Sie musste an sich halten, um ihm nicht entgegenzuschleudern, dass es für sie nichts Einfaches mehr gab. Seit einer Woche wohnte sie in dem Apartment und war noch immer nicht einkaufen gewesen. Das gehörte zu ihren Plänen für das Wochenende. Ein Besuch in der Reinigung und ein Dutzend weiterer Erledigungen standen ebenfalls auf der Liste – alles Dinge, die bisher Jeff für sie erledigt hatte. »Was ist mit John?«
»Entweder nehme ich ihn gleich mit, wenn ich Cassidy hole, oder du bringst ihn später ins Haus.« Als sie nicht sofort antwortete, fügte er hinzu: »Wir können uns auch irgendwo treffen.«
Sie wusste nicht, was sie wollte. »Ich sag dir morgen Bescheid deswegen.«
»Ruf mich bitte auf dem Handy an. Ich werden den ganzen Vormittag unterwegs sein.«
Sie konnte sich gerade noch zurückhalten, ihn nicht zu fragen, was er vorhatte. Sie öffnete die Fahrertür. »Macht es dir wirklich nichts aus, Cassidy zu ihrer Party zu bringen?«
»Bis dahin bin ich längst zurück.«
»Also, wenn du dir sicher bist …« Sie wand sich innerlich. Er hatte sie sicherlich durchschaut.
»Ich gehe in die Holzhandlung. Ich muss mich um das hintere Verandageländer kümmern.«
Jeff hatte in der Vergangenheit ständig angekündigt, er würde das alte Geländer abreißen und erneuern. Doch es war nie etwas daraus geworden, und die Geschichte war zu einer Art Familienwitz geworden. »Warum gerade jetzt?«
Er blickte zur Seite, atmete tief ein und schob die Hände in die Rücktaschen seiner Jeans. »Ich mache das Haus fertig, damit es verkauft werden kann.«
Natürlich. Auf Dauer konnten sie sich Haus und Apartment nicht leisten. Trotzdem vergrößerten die Worte die Distanz zwischen ihnen, kaum dass sie ausgesprochen waren. Bald gehörte alles, was ihre Familie ausgemacht hatte, der Vergangenheit an. Das Leben, das sie geliebt und für selbstverständlich gehalten hatte, wäre dann nur noch eine vage Erinnerung. Tränen stiegen ihr in die Augen. Noch etwas, über das sie die Kontrolle verloren hatte. »Ich hasse dich dafür, dass du uns das antust.«
Ganz automatisch griff er nach ihr, hielt aber in letzter Sekunde inne. »Was soll ich machen? Wie kann ich das zwischen uns wieder in Ordnung bringen?«, fragte er so leise, dass die Kinder ihn nicht hören konnten.
»Gar nicht.«
»Damit werde ich mich nicht abfinden.«
Ihr Herz
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