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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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wären dann umsonst gewesen. Es würde getratscht werden, und sie müsste sich wieder schämen. Christina wäre undankbar, egoistisch und nicht loyal gegenüber der Familie, die alles für sie getan hatte.
    Christina zog die Knie ans Kinn und starrte auf die Lichtstreifen, die durch die Jalousien drangen. Der einzige Mensch auf der Welt, der sie in ihrer Vorstellung bedingungslos geliebt hatte, war tot. Hunderte ihrer Fragen würden unbeantwortet bleiben. Tausende …
    Zumindest konnte sie sich von ihm verabschieden. Heute war Donnerstag. Sie hatte anderthalb Tage Zeit, um nach Sacramento zu kommen. Sie griff nach ihrer Handtasche und suchte nach ihrem Geldbeutel. Achtundsechzig Dollar und dreiundzwanzig Cents. Ein Busticket wäre teurer. Sie hatte noch den letzten Lohnscheck von Lansky’s. Das Geld würde für eine einfache Fahrt genügen. Das war in Ordnung. Hier hielt sie nichts mehr. Anschließend würde sie nach L.A. weiterfahren. Endlich.
    Sie öffnete das Schreiben.
    Liebe Miss Alvarado,
    wie Sie inzwischen sicher wissen, ist Ihr Vater vor zehn Tagen gestorben.
    Sie kam zu spät.
    Es gibt da einige Angelegenheiten, die ich gern mit Ihnen und Ihren Schwestern nach der Beerdigung besprochen hätte. Leider ist keine von Ihnen erschienen. Deswegen wurde ein neuer Termin in meiner Kanzlei dafür angesetzt:
Montag, der 15., um fünfzehn Uhr.
    Es ist unerlässlich, dass Sie an dieser Zusammenkunft teilnehmen. Sollten Sie verhindert sein, lassen Sie mich das bitte sofort wissen. Ich werde dann versuchen, einen anderen Termin zu vereinbaren.
    Mit freundlichen Grüßen
    Lucy Hargreaves
    Keine von Ihnen war da gewesen? Keine der vier Töchter hatte die Mühe auf sich genommen, ihm das letzte Geleit zu geben?
    Sie packte ein paar Briefe und schleuderte sie durch das Zimmer. Wie konnte Jessie in ihr Leben zurückkehren und ihr nicht genug Zeit lassen, um herauszufinden, ob sie ihn hasste oder liebte? Ob ihre Erinnerungen an ihn der Wahrheit entsprachen oder Einbildung waren? Diese Erinnerungsbruchstücke waren die einzigen sanften, warmen und geborgenen Momente ihrer Kindheit. An sie konnte sie zurückdenken, wenn sie sich nicht hübsch, klug oder gut genug vorkam. Immer war ihr Vater da gewesen, um ihr zu sagen, dass das nicht stimmte.
    Und jetzt war das vorbei, er war zum zweiten Mal für sie gestorben.
    Sie war müde. Zu müde, um sich darum zu kümmern. Sie zog ihren Bären aus dem Koffer, schob ihn unter ihren Kopf und rollte sich mitten in dem leeren Zimmer zusammen.
    In ihrem Herzen herrschte eine Ödnis, schrecklicher als in diesem leeren und verwüsteten Haus.

22
    Elizabeth
    »Wie hast du dich entschieden?« Sam schwamm zu Elizabeth, die auf der Umrandung des Swimmingpools saß. »Wirst du hingehen?«
    Elizabeth stützte sich nach vorn auf ihre Hände und sah zu ihm hinab. »Nein.«
    »Kannst du mir sagen, warum nicht?«
    »Es wird so aussehen, als sei ich wegen des Geldes gekommen.«
    »Pfeif drauf, wonach es aussieht. Es könnte die letzte Gelegenheit sein, deine Schwestern zu treffen. Ich glaube, du solltest sie nutzen.«
    »Wieso denkst du, dass sie kommen werden – und dass ich sie treffen will?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Menschenkenntnis. Sie sind das letzte Mal gekommen, und da ging es nicht um Geld. Ich könnte mir also vorstellen, dass sie auch diesmal auftauchen, und sei es nur aus Neugier.« Er zog an ihrem Fuß. »Komm, bist du nicht wenigstens ein bisschen neugierig? Willst du nicht wissen, ob er dir etwas vermacht hat?«
    »Vielleicht, aber das spielt keine Rolle. Ich würde nichts haben wollen.« Sie hatte ihre Meinung bezüglich der Bezahlung der Ausbildungskosten geändert. Sie wollte damit, wie mit dem Rest ihres Lebens, allein fertigwerden.
    »Du willst also, sagen wir mal, fünfzig Riesen ausschlagen, nur damit alle sehen, was für ein Sturkopf du bist?«
    Sie schnaubte. »Jessie hatte nicht annähernd so viel auf der hohen Kante.«
    Er stieß sich ab und ließ sich auf dem Rücken durch den Pool treiben. »Da wäre ich mir nicht so sicher. Glaubst du, der Gouverneur erscheint auf der Beerdigung von einem Habenichts?«
    »Das ist mir egal, und es interessiert mich nicht.« Sie war noch nie auf einer Beerdigung wie auf der ihres Vaters gewesen. Sie und Sam waren spät angekommen und mussten in der Kirche stehen. Diese hatte sicherlich Platz für siebenhundert Menschen geboten und war trotzdem bis zum Bersten gefüllt gewesen. Die Redner hatten über einen Mann gesprochen, den sie nicht

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