Ein Haus für vier Schwestern
einem Sohn gesprochen hat. Ist er schon lange tot?«
»Er starb zwei Jahre, nachdem er das Auto bekommen hatte.«
»Krass.«
»Ja, voll krass.«
»Sei nicht gleich sauer. Der Ausdruck ist total normal.«
Das stimmte allerdings, ihre eigenen Kinder benutzten ihn auch dauernd. »Ich bin ein bisschen empfindlich, was Frank angeht«, gab sie zu.
Rhona kam durch eine Seitentür aus der Garage in die Küchen. Sie stellte eine Supermarkttüte auf die Theke und streckte Elizabeth die Hand entgegen.
»Sie müssen Elizabeth sein. Ich bin Rhona McDowell, die Haushälterin Ihres Vaters. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, Sie kennenzulernen. Natürlich habe ich ein Foto von Ihnen gesehen. Aber darauf können Sie nicht älter als zehn oder elf gewesen sein.«
»Jessie hatte ein Foto von mir?« Du lieber Himmel, jetzt meinten die beiden bestimmt, das wäre wichtig für sie.
»Möchten Sie es gern sehen?«, fragte Rhona.
»Nein.« Doch die Antwort machte alles nur noch schlimmer. »Vielleicht später.«
»Er hatte eine Menge Bilder von uns allen«, warf Christina ein. »Das hat mich auch gewundert.«
Elizabeth wechselte das Thema. »Du hast einen Job, oder? Was arbeitest du denn?«
»Ich arbeite für das River City Studio.« Sie kam um die Kücheninsel herum und setzte sich neben Elizabeth. »In weniger als zwei Wochen habe ich mich dort praktisch unentbehrlich gemacht. Keiner hat es dort bisher geschafft, regelmäßig den Müll rauszubringen und gleichzeitig ungebetene Ratschläge zum Filmschnitt abzulassen. Außerdem nehme ich alle Anrufe mit einer geradezu krankhaften Freundlichkeit entgegen und überzeuge die Kunden davon, dass sich wegen der unübertroffenen Qualität unserer Arbeit für den halben Preis wie in L.A. zwei weitere Tage Wartezeit auf ihr Video absolut lohnen werden.«
»Wie bist du denn zu der Stelle gekommen?« Es hörte sich zwar an wie reine Höflichkeit, aber Elizabeth interessierte es wirklich.
»Lucy kannte jemanden, der jemanden kannte. Und was ist mit dir? Was machst du?«
»Ich bin … ich war Hausfrau und Mutter. Aber im Herbst fange ich ein Studium an.«
»Warum denn das?«
»Du meinst, warum ich in meinem Alter noch mal die Schulbank drücken will?«
Es fiel ihr nicht leicht, ihre Gereiztheit zu verbergen, aber sie schaffte es.
»Äh … ja.«
Rhona lachte. »Kindermund tut Wahrheit kund.«
»So alt bin ich doch noch gar nicht«, protestierte Christina.
»Was möchtest du machen?«
»Das weiß ich noch nicht«, gab sie zögernd zu. »Vielleicht entscheide ich mich nach dem Grundstudium für das Bibliothekswesen.«
»Oh, super. Ein aussterbender Beruf.«
»Bist du immer so vorlaut?«, fragte Elizabeth.
»O ja, das ist tatsächlich eine meiner hervorstechenden Eigenschaften.« Sie reichte Elizabeth eine Traube. »Mach dir keine Gedanken, du wirst dich dran gewöhnen.«
»Bibliotheken wird es immer geben«, wandte Elizabeth ein. »Vielleicht werden sie sich ein bisschen verändern, aber …«
»Wo hast du eigentlich in den vergangenen zehn Jahren gelebt? Was früher mal eine heilige Kuh war, ist inzwischen schon lang auf dem Altar der knappen Finanzen geschlachtet worden. Ein Kid mit einem Computer hat Zugang zu mehr Informationen, als eine Bibliothek jemals bieten könnte.«
Da wollte ihr doch glatt jemand im Alter ihrer Kinder Ratschläge geben. Das regte Elizabeth auf. »Du weißt ja nicht, wovon du sprichst«, schlug sie in Ermangelung einer besseren Antwort zurück.
»Ich habe in den letzten sechs Jahren zahllose Begleitkommentare zu politischen Wahlkampagnen gesprochen. Es ist eine Art Hobby von mir, zu überprüfen, wie viele Politiker nach der Wahl ihre Versprechen wirklich halten, sobald sie merken, dass kein Geld in den Kassen ist. Schon gar nicht für zum Aussterben verurteilte Institutionen.« Sie durchbohrte Elizabeth mit Blicken. »Wie viele Politikerkarrieren hast du schon verfolgt?«
»Bibliotheken sind nicht zum Aussterben verurteilt.«
»Vielleicht nicht die Universitätsbibliotheken, aber …« Die Türglocke schlug an. »Ich gehe schon.«
Damit wurde das Gespräch beendet und Elizabeth davon abgehalten, Christina zu erwürgen. Sie warf einen Seitenblick auf Rhona.
»Die Zeiten und die Vorstellungen ändern sich«, sagte Rhona. »Die Menschen auch. Christina ist ziemlich gewitzt. Sie hat eine Menge Ärger in sich aufgestaut. Aber sie wird mit der Zeit drüber wegkommen.«
»Meinen Sie? Mir ist ziemlich egal, was sie macht. Sobald
Weitere Kostenlose Bücher