Ein Haus für vier Schwestern
vernünftig angehen, wie er alles andere anging.
»Was wolltest du ihm denn erzählen?«
Tränen. Wildes Schluchzen.
Elizabeth hielt sich zurück und sah ihre Tochter nur an. Ihr kam der alte Spruch in den Sinn, dass man sich seine Wünsche gut überlegen sollte. Jetzt blieb Stephanie den ganzen Sommer über zu Hause. Und Elizabeth würde alles dafür geben, wenn sie noch in New York wäre und ab und zu anrufen würde, um von ihrer tollen Zeit zu erzählen.
Sie lehnte sich nach vorn und küsste Stephanie auf die Wange. »Du wirst da durchkommen. Wir werden einen Weg finden, das verspreche ich dir.«
Um diese Worte zu hören, war ihre Tochter nach Hause gekommen. Das war das Sicherheitsnetz, das sie brauchte. Stephanie kuschelte sich an sie, wischte sich die Tränen ab und fuhr sich mit den Händen durch das dicke, glänzende rotbraune Haar.
»Ich bin so müde. Fahren wir jetzt nach Hause?«
Elizabeth verwarf den geplanten Stopp beim Supermarkt. Dann gab es eben Tiefkühlkost, das musste genügen. Sie war immer in der Lage, eine Mahlzeit für unerwartete Gäste aufzutischen. Aus einem Steak wurde Gulasch, aus einem Lachsfilet für zwei wurden Tacos für ein halbes Dutzend hungrige Mäuler. Sie fischte Stoffreste vom Wühltisch und machte daraus in Nullkommanichts ein tolles Halloweenkostüm. Sie war Sams Partnerin, seine Stütze, seine Gefährtin. Sie war eine leidenschaftliche, hingebungsvolle und liebende Mutter, die ohne zu zögern ihr Leben für ihre Kinder geben würde.
Das wusste sie alles und daran glaubte sie fest. Trotzdem war sie stocksauer auf ihre wunderschöne Jüngste. Wie konnte Stephanie nur mit einem solchen Problem zu Hause auftauchen und von ihr erwarten, dass sie die Lösung parat hatte?
»Wirst du das Baby behalten?«, fragte Sam.
Elizabeth räumte gerade den Tisch ab, obwohl sie sich fühlte, als ob ihr jemand von hinten in die Kniekehlen getreten hätte.
»Wie soll ich das denn machen?«, sagte Stephanie. »Mit einem Kind? Ich muss die Uni beenden und mir einen Job suchen.«
Sie sah ihren Vater hoffnungsvoll an und wollte eine Bestätigung von ihm, dass es klug und sinnvoll war, was sie sagte. »Ich habe mir nicht gewünscht, schwanger zu werden.«
Elizabeth fuhrwerkte im Spülbecken herum. Sie wollte nicht, dass Sam oder Stephanie mitbekamen, wie verstört sie war. Sie fand den Gedanken schrecklich, dass ihr ein Fremder vielleicht ihr erstes Enkelkind nehmen könnte. Das Baby, auf das sie gehofft hatte, um ihr Herz mit Freude zu erfüllen und ihrem Leben wieder einen Sinn zu geben.
»Na, du hast ja genügend Zeit, darüber nachzudenken«, meinte Sam.
»Ich dachte, du würdest böse sein.«
Er nahm ihre Hand. »Was würde das nützen?«
»Bist du enttäuscht von mir?«
Hör auf, ihn zu bedrängen, wollte Elizabeth rufen. Gib ihm einen oder zwei Tage Zeit, bevor du die Vergebung deiner Sünden einforderst.
Doch Sam überraschte sie.
»Was hat das damit zu tun? Es ist, wie es ist, Stephanie.« Resigniert wischte er sich mit einer Hand übers Gesicht. »Wenn es aus dieser Geschichte eine Lehre zu ziehen gibt, dann ziehst du sie hoffentlich. Wenn nicht, spielt nichts, was ich sagen könnte, eine Rolle.«
»Es tut mir so leid.« Sie heulte schon wieder.
»Ich weiß. Und es ist nicht fair. Es haben zwei dazu gehört, dieses Kind zu machen, und nur einer muss die Konsequenzen tragen.«
»Ich wünschte, ich könnte es einfach verschwinden lassen.«
»Das kannst du doch«, entgegnete er nüchtern.
»Abtreibung? Du glaubst, das wäre richtig?«
Elizabeth beobachtete sie in der Spiegelung des Küchenfensters. Stephanie starrte Sam mit einem hoffnungsvollen Gesichtsausdruck an.
»Diese Entscheidung musst du ganz allein treffen. Ich möchte nur, dass du eines weißt: Ich, oder besser deine Mutter und ich, werden dich unterstützen, wie auch immer du dich entscheidest.«
»Du glaubst nicht, dass das Mord ist?«
»Nein.«
»Eine Menge anderer Leute tun das aber.«
»Eine Menge anderer Leute sind auch für die Todesstrafe. Es gibt für alles ein Für und Wider, Stephanie. Das bringt dich nicht weiter. Du musst tun, was du für richtig hältst, was dein Herz dir rät.«
»Könntest du das?«
»Du willst von mir etwas hören, was ich nicht sagen kann. Es ist weder mein Körper noch meine Entscheidung. Das ist einfach so.«
Nie hatte Elizabeth ihren Mann mehr geliebt als in diesem Augenblick. Vielleicht würde Stephanie eines Tages in der Lage sein zu erkennen, welches Geschenk
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