Ein Haus für vier Schwestern
Enttäuschung gewesen. Er war der Feind gewesen, der es ihr gestattete, die verhaltensgestörte Mutter mit der Verbissenheit des vernachlässigten Kindes zu lieben und zu beschützen.
»Die Kids mögen Ginger«, sagte Jeff.
»Ja, ich auch.«
»Und die zwei anderen, Elizabeth und Christina?«
»Die haben sie noch gar nicht getroffen.«
»Ich meinte eigentlich dich. Wie findest du sie?«
»Ich weiß nicht recht. Christina ist schlau und witzig, aber sie schleppt ein ganz schönes Päckchen mit sich herum. Irgendein Typ – wahrscheinlich ihr Freund – hat ihr vor ein paar Monaten den Kiefer gebrochen. Sie wollte uns einreden, dass es ein Unfall war, aber ich wusste sofort, dass das nicht stimmt.«
»Ist sie noch mit ihm zusammen?«
»Glaube ich nicht. Zumindest lebt sie allein in Jessies Haus. Ich hoffe, dass sie irgendwann Vertrauen zu uns fasst und uns erzählt, was wirklich passiert ist. Ich denke, wir könnten ihr helfen.«
»Unglaublich«, sagte Jeff leise. »Hast du gemerkt, was du da gerade gesagt hast?«
Sie überlegte. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
»Sie sind deine Familie, Rachel.«
»Das ist auch der Bruder meiner Mutter. Ich lege da keinen Wert drauf.«
»Und Ginger?«
»Das ist was anderes. Wir haben viel gemeinsam und eine ähnliche Einstellung.« Sie schenkte ihm ein zustimmendes Lächeln. »Okay, sie gehört dazu.«
Er sah auf seine Armbanduhr.
»Wir müssen los. Ich habe der Babysitterin versprochen, rechtzeitig zurück zu sein, damit sie noch mit ihrem Freund ausgehen kann.« Er schloss den Sicherheitsgurt und ließ den Motor an. »Willst du die Kinder gleich mitnehmen oder soll ich sie morgen früh rüberbringen?«
Sie war besorgt gewesen, wie sie den Abend beenden und ihm klarmachen konnte, dass sich die Dinge nicht weiterentwickeln würden. Und jetzt fühlte sie Enttäuschung in sich hochsteigen und wollte die letzten Stunden, die schönsten seit ihrer Trennung, nicht einfach so beenden.
Auf halber Strecke nach Hause fragte Rachel: »Hast du etwas von ihr gehört?«
Jeff seufzte laut. »Warum tust du das? Heute Abend haben wir ein bisschen von der alten Normalität in unser Leben zurückgebracht, Rachel. Warum willst du das gleich wieder kaputt machen?«
»Hast du?«
»Wie oft muss dich dir noch sagen, dass es seit einer Ewigkeit vorbei ist? Was kann ich tun, damit du mir glaubst?« Er klang frustriert. »Du kannst die Telefonrechnung haben. Zur Kontrolle. Keine Gespräche mit Texas.« Er sah sie verärgert an. »Willst du das?«
»Nein, natürlich nicht.« Sie sagte das und wusste dabei ganz genau, dass sie es getan hätte, würde sie noch im Haus wohnen. Einfach, weil sie nicht anders konnte. »Es tut mir leid, dass ich jetzt den Abend ruiniert habe.
»Das braucht dir nicht leidzutun.« Diese Spitze saß. »Du solltest lieber darüber nachdenken, ob du in der Lage bist, deinem Vater zu vergeben. Und irgendwann vielleicht auch mir.« Eine Minute verstrich. Dann knallte er mit der flachen Hand auf das Lenkrad. »Glaubst du wirklich, dass ich, sobald du außer Sichtweite bist, die nächste Fußballmutti in mein Bett zerre?«
»Schrei mich nicht an.« Jeff erhob selten seine Stimme, schon gar nicht ihr oder den Kindern gegenüber.
»Glaubst du das?«
»Sie muss dir etwas bedeutet haben. Weil du so bist, wie du bist. Du würdest nie mit jemandem vögeln, der dich nicht interessiert. Und dieses Interesse hört nicht einfach auf, nur weil du erwischt worden bist.«
»Wenn ich sie wirklich wollte, wenn ich glauben könnte, dass ich mit ihr auch nur einen Bruchteil des Glücks, der Freude oder der Liebe teilen könnte, die ich für dich immer noch empfinde, dann bräuchte ich nur mit dem Finger zu schnipsen. Ein Telefonanruf, und sie käme zu mir. Sie liebt ihren Mann schon lange nicht mehr und ist nur wegen der Kinder zu ihm zurückgegangen.« Er holte Luft. »Überleg doch, Rachel. Mit den zehn Millionen könnten wir uns das Sorgerecht für die Kinder teilen. Den Sommer verbringen sie bei mir, den Rest des Jahres bei dir. Ich könnte nach Michigan ziehen, ohne dieses ganze Hin und Her an den Wochenenden. Aber das will ich nicht. Ich will hierbleiben. Ich tue alles dafür, dass es dir, Cassidy und John gut geht. Was soll ich denn noch versuchen?«
Sie sah hinab auf ihre Hände, dann auf den vollen Mond über den Hügeln von Oakland und auf die Lichter der Häuser, an denen sie vorbeifuhren. Jeff konnte sie nicht ansehen.
»Gib mir noch ein bisschen Zeit«, sagte sie
Weitere Kostenlose Bücher