Ein Haus geteilt durch 8
die Säge hole ich mir noch heute abend.«
Er lauschte zur Tür, bis die Schritte von Frau Holldorf im Treppenhaus nicht mehr zu vernehmen waren.
»Sag einmal, Sabinchen, wie ist das eigentlich, wenn man in so ein Miethaus neu einzieht? Muß man sich da etwa den anderen Hausbewohnern vorstellen?« Der Gedanke schien ihm nicht gerade sympathisch zu sein.
»Du kannst ja einmal Frau Holldorf fragen, wie sie es gemacht haben.«
»Ja, das will ich tun.« Er zog Sabine für einen Augenblick in seine Arme und küßte sie zärtlich, ehe er die Treppe hinunterlief, um die Einkäufe zu erledigen, vier Semmeln, ein viertel Pfund Butter und ein Pfund Staubzucker. Die Teebüchse, die Sabine Fröhlich in einem der Netze fand, war neu und frisch gefüllt. Sie hatte sich bei dem Service für zwei Personen befunden, das ihre Bürokollegen ihr zur Hochzeit geschenkt hatten.
Sie hieß mit ihrem Mädchennamen Handrig und war die Tochter eines Straßenaufsehers, der es sich unter einigen Opfern - denn Sabine hatte noch zwei jüngere Geschwister - geleistet hatte, Sabine eine Mittelschule und danach eine Handelsschule besuchen zu lassen, nach deren Abschluß sie ihre erste Stellung als Anfangskontoristin in einem Großunternehmen für Hochbau, Brücken- und Straßenbau gefunden hatte. Die Firma hieß Fröhlich & Söhne K. G. und gehörte dem alten Kommerzienrat Dr. h. c. Ing. Arnold Fröhlich, der sich vor einigen Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen hatte, um es seinen beiden Söhnen Arnold und Heinrich zu überlassen, von denen der ältere, Dr. jur. Arnold Fröhlich, der Vater jenes jungen Mannes war, der in diesem Augenblick bei Kaufmann Baldauf ein Pfund Zucker kaufte.
Im Büro seines Vaters also hatte Werner Fröhlich Fräulein Sabine Handrig kennengelernt, sich in sie verliebt, als hätte ihn der Blitz getroffen, und eine eisige Abfuhr erhalten, die aber nicht dem netten jungen Mann an sich, sondern dem Sohn des Chefs galt. Von den beiden Söhnen des alten Kommerzienrats leitete der eine, Heinrich Fröhlich, den technischen Teil des Unternehmens, während Werners Vater die Firma kaufmännisch und juristisch vertrat. Werner Fröhlich, der jetzt dreiundzwanzig Jahre alt war, hatte nach einem praktischen Jahr als Bauhilfsarbeiter, Schlosser und Autogenschweißer die Universität bezogen, wo er nunmehr das vierte juristische Semester hinter sich gebracht hatte.
Die erste Abfuhr, die er von Sabine Handrig erhielt, nahm er gelassen hin und ebenso die folgenden im Verlaufe eines langen Jahres, bis es seiner Hartnäckigkeit schließlich doch gelang, den Widerstand der siebzehnjährigen Sabine wenigstens so weit zu schmelzen, daß sie sich seine Begleitung auf dem Heimweg bis auf hundert Schritt vor die Haustür gefallen ließ. Zuerst war es natürlich nur ihr Äußeres, das ihn in Flammen setzte, und er glaubte, er werde kein schweres Spiel haben, sie zu erobern. Als ihm das trotz zweijähriger Bemühungen nicht gelang, begann ihn das Mädchen selbst zu interessieren. Sie war nicht gerade gebildet, aber sie besaß eine natürliche Intelligenz, die seiner fast überlegen war. Sie hatte keine besondere Erziehung genossen, aber sie besaß eine natürliche Sicherheit der Haltung, die ihn nicht eine Sekunde hätte zögern lassen, Sabine in das Haus seiner Eltern zu bringen und seiner Mutter vorzustellen. Mochte er auch manchmal daran denken, daß er ihre Eigenschaften mit den Augen des Verliebten sah, und daß er sie vielleicht auf ein allzu hohes Postament gestellt hatte, plötzlich wußte er, daß es niemals eine andere Frau als Sabine sein könne, mit der er verheiratet zu sein wünschte und der er immer angehören würde. Große Worte für einen jungen Mann, gewiß! Aber es war nun einmal seine innerste Überzeugung. Der Wunsch, sie zu erobern und zu besitzen, sank zu einem kleinen Feuerchen neben dem helleren und wärmeren zusammen, mit ihr für immer zu leben. Daß sie einander dann eines Tages gehörten, kam wie von selbst. Und nicht allzu lange danach war er gezwungen, seinen Vater um eine Aussprache zu bitten, ihm zu erklären, daß er heiraten müsse, und daß die Frau, um die es sich handle, Fräulein Sabine Handrig, eine von den dreißig oder vierzig Sekretärinnen der Firma, sei.
Dr. Arnold Fröhlich, ein Mann von zweiundfünfzig Jahren, gescheiter Jurist und erfolgreicher Kaufmann, alles andere als robust und im Typ eher einem Gelehrten als Industriellen ähnelnd, sehr überlegen und von einer Haltung, die fast müde
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