Ein Haus geteilt durch 8
und vor dem Mansardenfenster bauschte sich eine zierlich geraffte Gardine aus Kunstseide mit einem Dekor rotbrauner Chrysanthemen. Der Teppich, ein Schaufensterstück, hatte ein wenig unter der Sonne gelitten, aber man sah es kaum, dafür war er fast um ein Drittel billiger gewesen. Und die Gardinen hatte Sabine auf einem Restetisch entdeckt.
Er heuchelte Zerknirschung und lobte ihre Einkäufe, und dann tafelten sie mit Genuß, und er erzählte, was ihm in der vergangenen Woche begegnet war. In einer streng gesiebten Auswahl natürlich, die seine Tätigkeit in ein rosenrotes Licht tauchte und auch Aureolen um die Köpfe von Herrn Paulig und seinen Kollegen wob. Und Sabine berichtete von den kleinen Ereignissen, die sich in der Firma und daheim zugetragen hatten. Von Holldorfs komischem Hund, für den nun auch eine Persilkiste als Lagerstatt schon zu klein wurde und der aus lauter Beinen zu bestehen schien - und von Frau Lindberg, die sie am Mittwoch zu einer kleinen Kaffeestunde eingeladen hatte.
Die junge Frau Lindberg und die noch jüngere Frau Fröhlich trafen einander im Laden von Kaufmann Baldauf.
»Sie sind viel allein, Frau Fröhlich, nicht wahr?«
»Ja, leider - mein Mann ist die Woche über unterwegs.«
»Meiner kommt Gott sei Dank schon übermorgen zurück. Er mußte zu einer Theaterwoche nach Wien fahren. Aber sagen Sie mir, was kochen Sie eigentlich, wenn Sie allein sind?«
»Seit drei Tagen Nudeln. Einmal in Milch, einmal mit Zucker und Zimt. Heute will ich eine Scheibe Schinken hineinschneiden.«
»Und ich lebe seit drei Tagen von Spaghetti.«
Sie erledigten ihre Einkäufe und gingen miteinander heim, und vor ihrer Tür lud Frau Lindberg Sabine ein, für ein Weilchen zum Kaffee zu ihr zu kommen. Sie hatte noch eine halbe Torte im Eisschrank, und Sabine zögerte nicht, der liebenswürdigen Einladung zu folgen. Neben Frau Holldorf, mit der sie sich zu einem kleinen Schwatz gelegentlich im Flur oder in Holldorfs Küche zusammenfand, war es Frau Lindberg, die ihr von den Damen des Hauses am freundlichsten begegnete und auch am sympathischsten war. Ihre Bitte, ihr den Kaffee so schwach wie möglich zu machen, hatte Frau Lindberg sofort verstanden.
»Ach, wie ich Sie beneide.«
»Nun«, meinte Sabine errötend und ließ den Rest unausgesprochen, daß die Erfüllung dieses Wunsches doch nicht allzu schwierig sei.
Aber Frau Lindberg schüttelte den Kopf: »Wir hatten ein kleines Mädchen. Unser Christinchen. Wir hatten sie zwei Jahre, und dann bekam sie Scharlach.«
»Oh«, murmelte Sabine bestürzt und legte ihre Hand für einen Augenblick auf Frau Lindbergs Arm.
»Und seitdem habe ich einfach Angst. Ich könnte nicht noch ein Kind verlieren.«
In Sabines Augen schimmerte es feucht, als sie Werner von diesem Gespräch erzählte. »Schrecklich, nicht wahr? Ich mag gar nicht daran denken, daß so etwas uns auch passieren könnte.«
»Gewiß«, murmelte er, »aber trotzdem. Ich meine, deshalb ganz auf Kinder zu verzichten, weil eins stirbt... Findest du das nicht auch ein wenig übertrieben?«
»Ach, weißt du, ich kann es doch verstehen. Ich hatte einmal einen kleinen Hund. Ich war vielleicht zehn Jahre alt. Und eines Tages wurde er von einem Auto überfahren. Mein Gott, was habe ich um ihn geweint! Und da wollte mein Vater mir einen neuen kaufen. Und das war das schlimmste, was er sagen konnte. Wie konnte er nur daran denken, ein anderer Hund könnte mir meinen Purzel ersetzen? Siehst du, und das war nur ein Hund.«
»Nun ja«, meinte er nicht ganz überzeugt, »so trägt eben jeder sein Päckchen. Aber da du gerade von Hunden sprichst: Was macht eigentlich Holldorfs Flocki?«
»Den mußt du dir selber ansehen, Werner«, sagte sie und schlug die Hände zusammen, »so etwas von Wachsen hast du noch nicht erlebt. Ich möchte bloß wissen, was das für eine Rasse sein mag.«
»Vielleicht ein ganzes Dutzend«, grinste er.
Der Flocki war jetzt fast zwei Monate alt und der Flasche bereits entwöhnt. Sein Appetit war erstaunlich. Hauptsächlich lebte er noch von Brei aller Art, aber er machte sich auch schon über die Reste der Mahlzeiten her, wenn man sie ihm zerdrückt in seiner Schüssel vorsetzte. Körperlich hatte er jetzt etwa die Größe eines kräftigen Spaniels erreicht, aber nur im Rumpf; die Beine waren länger und dicker und standen in einem seltsamen Mißverhältnis zum Körper. Die Kinder waren völlig verrückt mit ihm, ihnen gefiel er genauso, wie er war. Auch Frau Holldorf war
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