Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Haus geteilt durch 8

Ein Haus geteilt durch 8

Titel: Ein Haus geteilt durch 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
noch dunkler. »Das ist ja ein starkes Stück von dieser halben Portion!«
    »Was denn, Reichen?« fragte seine Schwester und versetzte dem Hund einen heimlichen Tritt, der sie fast zu Fall gebracht hätte.
    »Dieser mickrige Orientalist beschwert sich über den ungehörigen Lärm über seiner Wohnung und verlangt, daß ich den Hund abschaffe. Hast du Worte, Elfriede?«
    »Nun, Aurel, wenn du mich so fragst, dann muß ich aufrichtig sagen, daß dein Cäsar für einen Stubenhund ein wenig zu groß ist.«
    »Larifari! Es geht nicht um die Größe des Hundes, sondern um mein Recht! Um den Mietvertrag. Darin habe ich mir ausbedungen, daß ich Hunde halten darf. Von der Größe steht nichts drin. Du wirst also hinuntergehen und diesem lächerlichen Männchen mitteilen, daß laut Mietvertrag Hundehaltung gestattet, Große egal ist, verstanden?«
    »Nein, Aurel«, sagte Fräulein von Krappf mutig, »das kannst du nicht von mir verlangen. Der Brief ist an dich gerichtet, also wirst du ihn auch beantworten müssen.«
    Der Oberst starrte seine Schwester an, dann bewegte er den Unterkiefer mahlend hin und her, und dann knurrte er: »Nehme deine Weigerung zur Kenntnis, Elfriede. Werde diesem Herrn selber antworten, aber so, daß er... na ja!« Er wußte, wie weit er vor Damen zu gehen hatte, selbst wenn es nur die eigene Schwester war.

    Milchhändler Brieskorn und seine Frau sah man nie mehr. Beide waren nach kurzer Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt worden. Möglich, daß sie in der Nacht ihre Wohnung besuchten und die Kleider- und Wäscheschränke ausräumten. Der Prozeß fand ein gutes Vierteljahr später statt, und leider unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Brieskorn erhielt eine kurze Freiheitsstrafe, zur Empörung seiner Kundschaft sogar mit Bewährungsfrist, dafür war die Geldstrafe um so empfindlicher. Die Fähigkeit, ein Lebensmittelgeschäft zu führen, wurde ihm für die Dauer von fünf Jahren abgesprochen. Seine Frau kam mit einer Geldstrafe davon. Der Laden blieb drei Monate lang geschlossen, dann eröffnete ihn ein Pächter. Er hieß Siegfried Kahl; seine Frau befand sich in jenem Alter, in dem die Schönheit durch Milchbäder allein nicht mehr wiederzugewinnen ist. Und da die Zinkbottiche zur Aufbewahrung der Milch durch neue ersetzt wurden, was den polizeilichen Vorschriften entsprach, strömte auch die Kundschaft wieder heran. Nur die jungen Leute vom Polytechnikum blieben aus. Von den Brieskorns hieß es, sie seien nach München gezogen und lebten dort von den Pachtzinsen des Ladens und den Mieteinnahmen der Häuser, die Brieskorn besaß. Die Parterrewohnung wurde, bevor Pächter Kahl einzog, von einem Speditionsunternehmen geräumt.

    Für Friedrich Holldorf und Werner Fröhlich waren die Bleigruben am Kugelfang kein Traum, sondern harte Wirklichkeit, mit pfenniggroßen Wasserblasen an den Händen und dem Gefühl, jeder Rückenwirbel einzeln sei mehrfach gebrochen. Sogar Holldorf ließ sich in den ersten drei Tagen von seiner Frau das Kreuz und die Schultern massieren, wenn er sich abgeseift hatte. Ihre Arme und Gesichter waren von der Sonne mahagonibraun aufgebrannt. Sie schafften mit kurzen Unterbrechungen, in denen sie sich eine Zigarettenpause gönnten oder ihre Brote verzehrten und dazu lauwarmen, zitronengesäuerten Tee tranken, vom Morgen bis zum Abend. Die tägliche Ausbeute war so groß, daß es ihnen nicht gelang, sie heimzuschaffen; denn das Motorrad wäre unter der Last zusammengebrochen. Sie mußten für ihre Schätze geheime Lager anlegen, die sie sorgfältig tarnten. Im Rucksack nahmen sie Abend für Abend jeder ungefähr einen halben Zentner Blei mit heim.
    »Mensch«, sagte Holldorf atemlos, als er die ersten reinen Bleiklumpen ans Tageslicht beförderte, »das sind ja die reinen Bleilager!«
    Und dabei hatten sie den ersten Kugelfang noch nicht einmal ganz ausgeräumt.
    »Ich habe es einmal auszurechnen versucht, was hier ungefähr drinliegen kann«, sagte Werner. »Wenn man annehmen will, daß der Platz sechzig Jahre lang in Betrieb war, und wenn hier nur viermal in der Woche scharfgeschossen wurde, jedesmal von einer Kompanie mit rund hundertfünfzig Mann, von denen jeder fünf Schuß verfeuerte, dann ergibt das - 52 mal 4 mal 150 mal fünf- pro Jahr 150 000 Schuß. Und das mal sechzig...«
    »Ich werde verrückt«, murmelte Holldorf.
    »Neun Millionen Kugeln. Das ist eine glatte Rechnung. Und wenn man jede nur zu zehn Gramm ansetzt...«
    »Hören Sie auf, Mann.«
    »»... dann

Weitere Kostenlose Bücher