Ein Haus geteilt durch 8
Schuld sprechen kann. Schließlich habe ich nicht daran geglaubt, daß er Ernst machen und wirklich davonlaufen würde. Und daß er, wenn er schon davonlief, diese Trennung mit solcher Konsequenz durchstehen würde.«
Er fischte mit einem Zündholz nach einem winzigen Korkstückchen, das in seinem Glas schwamm.
»Weiß der Himmel«, sagte er nach einer kleinen Weile, »aber der Bengel imponiert mir fast. Herold schreibt, daß er in der letzten Zeit pro Woche hundert Mark und mehr verdient habe.«
»Mit Rasierapparaten«, seufzte Frau Fröhlich und verzog das
Gesicht als schmecke der Wein wie Galle. »Und wie geht es seiner jungen Frau? Unserer Schwiegertochter?«
Er schaute sie über den Brillenrand hinweg an.
»Schau nicht so, Arnold! Es ist unsere Schwiegertochter. Auch du wirst dich daran gewöhnen müssen.«
»Hm... Nun ja. Herold ist kein Gynäkologe, aber er meint, es dürfe nicht mehr allzu lange dauern, daß du Großmutter wirst.«
»Und du Großvater. Auch wenn du dich vor dieser Würde drücken möchtest.«
»Übrigens ist sie noch immer bei der Getreidefirma Zettel & Sartor tätig. 263 Mark Monatsgehalt. In Zahlen ist Herold immer sehr genau und vertrauenswürdig.«
Er hielt den Bocksbeutel gegen das Licht der Stehlampe und verteilte den kleinen Rest in die Gläser.
»Hol noch eine Flasche aus dem Keller, Arnold. Ich habe es nötig, wenn ich nicht die ganze Nacht um meine Achse rotieren soll. Nach diesem Gespräch.«
Er klimperte mit dem Schlüsselbund, während er zum Keller ging. Auch er konnte noch einen Schluck vertragen; denn er litt in der letzten Zeit unter Schlaflosigkeit, die man mit einem guten Tropfen fraglos angenehmer bekämpfte als mit bitteren und trockenen Tabletten, die einem in der Kehle steckenblieben. Frau Charlotte ging derweil in die Küche und kehrte fast zur gleichen Zeit, als er aus dem Keller kam, mit einem kleinen Imbiß in die Diele zurück, Toasts, die sie mit kaltem Braten belegt und messerrückendick mit Remoulade bestrichen hatte.
»Oh!« rief er angenehm überrascht und langte zu. »Du errätst wahrhaftig meine Wünsche und Gedanken.«
»Ja, Arnold, und ich fürchte fast, daß ich manchmal zu sehr in deinen Gedanken lebe und handle, und daß es oft besser wäre, wenn ich nach meinem eigenen Kopf Vorgehen würde.«
»Du beziehst das auf Werner?«
»Auf wen sonst? Da haben wir nun den einen Jungen und haben ihn nicht mehr, weil wir mit seiner ersten selbständigen Entscheidung nicht einverstanden waren. Einer Entscheidung, die doch wahrhaftig seine ureigenste Angelegenheit ist.«
»Aber Charlotte! Wenn man jede Liebelei eines jungen Mannes so ernst nehmen sollte.«
»Du sagst Liebelei... Aber bei ihm handelt es sich eben nicht um eine Liebelei, sondern um Liebe!«
»Ah, um die echte große Liebe, nicht wahr? Und weshalb? Weil er mit seiner jungen Frau, die übrigens reizend aussehen soll, seit einem halben Jahr glücklich zusammenlebt? Das ist doch nun wahrhaftig kein Kunststück! Und es ist kein Beweis für die große Liebe.«
»Was für einen Beweis willst du dann haben? Willst du zehn oder sogar zwanzig Jahre abwarten, ob die beiden dann noch immer harmonieren? Also bitte, was für Beweise willst du sonst haben?«
»Du wirst ja geradezu aggressiv, meine Liebe.«
»Ja, denn ich finde, es wird höchste Zeit, daß diese Geschichte, unter der wir beide leiden, ein Ende findet. Und daß es Werner gleichgültig ist, ob diese Trennung weiter besteht oder nicht, das möchte ich denn doch stark bezweifeln.«
»Nun, vorläufig gibt er jedenfalls nicht zu erkennen, daß er unter der Trennung leidet.«
»Wer sagt dir das? Etwa die Auskunftei? Dieser komische Herold, der nicht einmal weiß, wie es um Werners Frau steht? Als ob man dazu Professor für Gynäkologie sein müßte.«
»Der Escherndorfer macht dich aber sehr munter.«
»Gott sei Dank! Und wenn du die Sache nicht in Ordnung bringst, Arnold, dann nehme ich sie in die Hand.«
»Ein richtiges Ultimatum?« fragte er halb betroffen und halb belustigt.
»Ein richtiges Ultimatum«, sagte sie energisch, »denn ich möchte nicht, daß unser Enkelkind in einer Seifenkiste schlafen muß.«
»Ich habe dir doch gesagt, daß es den beiden nicht schlecht geht.«
»Ach was! Aber auch nicht so gut, daß unsere Schwiegertochter darauf verzichten kann, in ihrem Zustand noch ins Büro zu gehen und Geld zu verdienen. Daß du dir das mit ansehen kannst? Nein, Arnold, ich verstehe dich nicht. Du bist der Dickkopf, und
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