Ein heißes Wiedersehen
kannte deine Schwester ja nicht einmal. Wie sollte ich da …”
“Marnie hatte nachts einen zweiten Job angenommen. Sie brauchte das zusätzliche Geld, um für Jimmy sorgen zu können. Sie arbeitete für einen Telefonservice. Das Wetter war schlecht in jener Nacht. Es hatte den ganzen Tag in Strömen geregnet und bereits viele Überschwemmungen gegeben. Die Menschen wurden davor gewarnt, bestimmte Straßen zu benutzen, weil sie teilweise total überflutet waren. Ich flehte Marnie an, nicht zu fahren, und sagte, ihr Chef würde sicher Verständnis haben. Doch Marnie bestand darauf, dass sie fahren müsse. Sie hatte den Job erst seit einer Woche und wollte es nicht riskieren, ihn zu verlieren.
Sie geriet in eine Überschwemmung. Ihr Wagen blieb im Wasser stecken. Offenbar verließ sie daraufhin den Wagen und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen und Hilfe zu holen. Doch eine starke Strömung riss sie mit sich, und sie ertrank.” Eine Träne rann Lexi die Wange herunter, und sie wischte sie rasch fort.
“Sie wäre nie bei diesen Wetterbedingungen Auto gefahren, wenn sie nicht gezwungen gewesen wäre, einen zweiten Job anzunehmen, um genug Geld für ihren Sohn zu haben. Bei ihrer Beerdigung habe ich mir geschworen, dass ich einen Weg finden würde, dich für das, was du getan hast, zur Rechenschaft zu ziehen.” Lexi schloss die Augen für einen Moment, um die drohenden Tränen aufzuhalten. “Das war vor vier Monaten.”
Nick sollte ihren Schmerz nicht sehen, daher holte sie tief Luft und sah auf. Er verbarg seine Gefühle nicht; das Erstaunen über diese Geschichte war ihm ebenso anzusehen wie sein Bedauern und sein Mitgefühl. Aber sein Schweigen zeigte auch, wie geschockt er war.
“Als ich hier ankam, warst du überhaupt nicht so, wie ich es erwartet habe”, fuhr sie fort. “Ich stellte fest, wie ernst du deine Pflichten nimmst. Außerdem warst du so offen und aufrichtig. Ich begann Marnies Geschichte anzuzweifeln und mich zu fragen, was wirklich geschehen war. Ich wusste nicht, was ich tun oder denken sollte. Ich zog in Erwägung, dir alles zu erzählen. Aber falls es nicht stimmen würde, wäre es nur schrecklich peinlich für mich gewesen.
Dann kam mir in den Sinn, dass Marnie dir von ihrer Schwangerschaft vielleicht nichts gesagt hatte und dass du gar nichts von deinem Sohn weißt. Deshalb musste ich herausfinden, wo du damals warst. Marnie hielt sich nämlich auf Hawaii auf, als sie schwanger wurde. Sie hat mir Ansichtskarten geschickt, auf denen sie schreibt, dass du mit ihr dorthin geflogen wärst.”
Lexis Unbehagen wuchs mit jeder Minute. Nicks Haltung war inzwischen weder mitfühlend noch verständnisvoll, sondern ablehnend, ja beinahe feindselig geworden. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie musste unbedingt etwas sagen, um zu retten, was noch zu retten war.
Sie zwang sich zu einem Lächeln, brachte jedoch nur ein nervöses Lachen zu Stande. “Aber das ist ja jetzt alles Geschichte. Ganz offensichtlich bist du nicht Jimmys Vater. Die ganze Sache kann also endgültig zu den Akten gelegt werden.” Nicks Miene veränderte sich nicht, und seine Haltung verriet, dass er ihren Versuch nicht akzeptierte, das Problem als inzwischen belanglos abzutun.
Er sah sie eine Weile schweigend an, bevor er endlich etwas sagte. Sein kühler, distanzierter Ton verursachte ihr eine Gänsehaut. Lexi sah ihre ganze Zukunft dahinschwinden und hatte keine Ahnung, wie sie das verhindern sollte. Nie zuvor hatte sie solche Angst empfunden.
“Wieso hätte deine Schwester behaupten sollen, dass ich der Vater ihres Kindes bin? Ich kannte sie ja nicht einmal. Bis auf ein höfliches ‘Guten Morgen’ zum Frühstück im Speisesaal hatten wir nichts miteinander zu tun.”
“Ich weiß es nicht!”, stieß Lexi hervor. Sie schüttelte den Kopf und wiederholte leiser: “Ich weiß es einfach nicht.” Nachdenklich zog sie die Brauen zusammen. “Möglicherweise war Jimmys Vater ein verheirateter Mann. Es könnte auch ein Mann gewesen sein, den sie während ihres Aufenthaltes hier kennengelernt hat. Wer auch immer es war, aus irgendwelchen Gründen wollte Marnie nicht, dass man ihn als Jimmys Vater identifizieren konnte.”
“Aber wieso hat sie mich ausgesucht? Wieso hat sie diese Lüge über mich verbreitet?”
“Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Vielleicht fühlte sie sich während ihres Aufenthaltes auf der Via Verde Ranch zu dir hingezogen, ohne dass du
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