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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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die arme Bela!
     
    Er schreit uns in seiner Sprache irgend etwas zu und zückt den Dolch über ihr ... es war kein Augenblick zu verlieren; ich schieße aufs Gerathewohl und wahrscheinlich traf ihn meine Kugel in die Schulter; denn plötzlich ließ er den Arm sinken. Als der Rauch meines Schusses sich verzogen hatte, lag das verwundete Pferd auf der Erde ausgestreckt und neben ihm Bela, während Kasbitsch, seine Flinte fortwerfend, sich in das Gebüsch stürzt und wie eine Katze an einem Felsen emporklettert. Gern hätte ich ihn mir von dort heruntergeholt – aber ich hatte keine Zeit mehr zu laden. Wir sprangen von den Pferden und eilten auf Bela zu.
     
    Sie war todtenbleich, keine Muskel regte sich und in Strömen floß das Blut aus ihrer Wunde ... Der verruchte Bösewicht! Wenn er sie wenigstens ins Herz getroffen, so wär's doch mit einem Mal aus gewesen; aber als echter Räuber hatte er ihr die Klinge in den Rücken gestoßen!
     
    Sie war ohne alles Bewußtsein. Wir zerrissen ihren Schleier, um damit so fest wie möglich ihre Wunde zu verbinden. Vergebens küßte Petschorin ihre kalten Lippen – nichts vermochte sie ins Bewußtsein zurückzubringen.
     
    Er stieg wieder zu Pferde und ich legte die Unglückliche vor ihn auf den Sattel. Er legte einen Arm um sie und wir kehrten im Schritt nach dem Fort zurück. Nach einigen Augenblicken des Schweigens sagte Petschorin zu mir:
     
    "Hören Sie, Maxim Maximitsch, wenn wir uns nicht mehr beeilen, bringen wir sie nicht lebend nach Hause."
     
    "Das ist wahr!" antwortete ich, – und wir ließen unsere Pferde zum gestreckten Galopp übergehen.
     
    An dem Thore des Forts erwartete uns eine Menge Menschen. Vorsichtig trugen wir die Verwundete in Petschorins Wohnung und schickten nach dem Arzt. Er war zwar betrunken, kam jedoch sofort, untersuchte die Wunde und erklärte, länger als einen Tag habe die Unglückliche nicht mehr zu leben. Aber darin täuschte er sich ...
     
    "Wurde sie wieder gesund?" fragte ich den Hauptmann und ergriff in einer unwillkürlich freudigen Aufregung seinen Arm.
     
    "Nein," antwortete er; "der Arzt täuschte sich nur darin, daß sie noch zwei Tage lebte."
     
    "Aber so erklären Sie mir doch, wie hatte sie denn Kasbitsch entführen können?"
     
    "Auf folgende Weise. Trotz Petschorin's Verbot hatte sie sich aus dem Fort entfernt und war auf den Wällen in der Nähe des Flüßchens spazieren gegangen. Es war sehr heiß; sie setzt sich auf einen Stein und badet die Füße im Wasser. Da plötzlich stürzt Kasbitsch, der im Hinterhalt lag, auf sie zu, verstopft ihr den Mund und schleppt sie in das Gebüsch, wo er sein Pferd zurückgelassen hatte. Inzwischen aber war es ihr geglückt, einen Schrei auszustoßen; die Schildwachen schlugen Lärm und schossen nach ihm, aber ohne ihn zu treffen ... In diesem Augenblick kamen wir."
     
    "Aber warum wollte Kasbitsch sie entführen?"
     
    "Wie, warum? Weil diese Tscherkessen geborene Räuber und Diebe sind. Alles, was nicht fest ist, müssen sie nehmen, auch wenn sie nichts damit anfangen können, schon um des Vergnügens des Raubens willen. Das muß man ihnen nun nicht zu sehr verargen! Uebrigens war er ja auch schon längst in Bela verliebt."
     
    "Sie starb also?"
     
    "Ja, sie starb; aber erst nach langen Qualen, und wir mußten ebenfalls schrecklich leiden."
     
    Gegen zehn Uhr Abends kehrte das Bewußtsein zurück. Wir saßen an ihrem Bett. Sobald sie die Augen aufschlug, begann sie Petschorins Namen zu murmeln.
     
    "Ich bin bei dir, meine Dschanetschka!" (was in unserer Sprache "mein Herzchen" bedeutet) antwortete er, indem er ihre Hand ergriff.
     
    "Ich sterbe," seufzte sie.
     
    Wir suchten sie zu beruhigen; wir sagten, der Arzt habe versprochen, sie unfehlbar zu heilen.
     
    Sie schüttelte das Köpfchen und wandte sich nach der Wand um. Die Arme, sie wollte so gern noch leben!
     
    In der folgenden Nacht begann sie zu phantasiren; der Kopf brannte ihr; von Zeit zu Zeit wurde sie von Fieberfrost geschüttelt.
     
    Ihre Reden hatten schon keinen Zusammenhang mehr; sie sprach bald vom Vater, bald vom Bruder und sehnte sich zurück in ihre Berge, in ihr Heimatsdorf: Dann sprach sie auch von Petschorin, gab ihm allerlei zärtliche Namen oder beschuldigte ihn, daß er seine Dschanetschka nicht mehr liebe ...
     
    Er hörte sie, das Gesicht in den Händen verborgen, schweigend an. Aber während der ganzen Zeit bemerkte ich nicht eine Thräne an seinen Wimpern, – ob er nun in der That nicht

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