Ein Held unserer Zeit
setzte er sich in den Schatten auf die Erde und begann mit seinem Stocke ich weiß nicht welche Figuren in den Sand zu zeichnen.
Aus Anstand glaubte ich ein paar tröstende Worte an ihn richten zu müssen. Er hob den Kopf in die Höhe und lächelte ... Bei diesem Lächeln durchlief ein eisiger Schauder alle meine Glieder und ich entfernte mich, um die Vorbereitungen für das Begräbniß zu treffen.
Ich muß gestehen, daß ich mich zum Theil mit diesen Sorgen befaßte, um mich ein wenig auf andere Gedanken zu bringen. Ich besaß einen kostbaren kaukasischen Stoff; damit ließ ich ihren Sarg schmücken und fügte noch tscherkessische Silberborten hinzu, welche Petschorin eines Tages für sie gekauft hatte.
Früh am andern Morgen begruben wir sie hinter dem Fort am Ufer des Flüßchens, nicht weit von der Stelle, wo sie zum letzten Mal gesessen hatte. Um ihr kleines Grab stehen jetzt Holundersträucher und weiße Akazien. Gern hätt' ich auch ein Kreuz dorthin gestellt ... aber ich getraute mich doch nicht recht ... sie war ja doch nicht als Christin gestorben ...
"Und Petschorin?" fragte ich.
Petschorin wurde krank; er magerte ab; niemals sprachen wir mit einander von Bela; ich merkte, daß ihn das unangenehm berühren würde, und so schwieg ich ...
"Drei Monate später wurde er in ein anderes Regiment versetzt und reiste nach Georgien. Seitdem sind wir uns nicht wieder begegnet ... allein man hat mir vor einiger Zeit erzählt, er sei nach Rußland zurückgekehrt, doch befinde er sich nicht mehr im activen Dienst. Uebrigens erreichen Unsereins die Nachrichten erst sehr spät."
Hier verbreitete sich der Capitain in eine lange Dissertation darüber, wie unangenehm es sei, alle Nachrichten erst ein Jahr später zu erhalten, – wahrscheinlich nur, um seinen Geist von diesen traurigen Erinnerungen abzuwenden.
Ich unterbrach ihn nicht und hörte nur zu.
Eine Stunde später war Alles zur Abreise bereit. Der Schneesturm hatte sich gelegt, der Himmel war wieder heiter geworden. Wir reisten weiter.
Unterwegs konnte ich es mir nicht versagen, das Gespräch abermals auf Bela und Petschorin zu bringen.
"Und haben Sie niemals gehört," fragte ich den Hauptmann, "was aus Kasbitsch geworden ist?"
"Aus Kasbitsch? Nein, das weiß ich nicht ... doch hat man mir gesagt, daß in den Reihen unserer Gegner ein gewisser Kasbitsch kämpfe, ein tollkühner Spitzbube, der einen rothen Beschmet trage, frech bis unmittelbar unter unsere Gewehrläufe komme und mit erstaunlicher Behendigkeit ausweiche, wenn ihm die Kugeln zu dicht um die Ohren pfiffen ... Das könnte er wol sein."
In Kobi trennte ich mich von Maxim Maximitsch. Ich nahm mir Postpferde; wegen seiner schweren Ladung vermochte er mir nicht zu folgen. Wir hofften nicht, uns je wiederzusehen; allein wir sind uns noch einmal begegnet; wenn ihr's wünscht, will ich's euch erzählen. Es ist eine ganze Geschichte ... Allein, ihr müßt mir zunächst gestehen, daß dieser Maxim Maximitsch ein sehr braver, achtungswerther Mann ist ...
Wenn ihr mir das zugebt, bin ich vollkommen belohnt für meine vielleicht etwas zu lange Erzählung.
Fußnoten
1 Persisch: Station.
2 Alexis Petrowitsch Jermoloff war Oberbefehlshaber im ersten kaukasischen Kriege.
3 Pelzmantel, wie er in den Kaukasusländern getragen wird.
4 Tscherkessendorf.
5 Eine Art Tatarenmantel.
6 Kunak bedeutet Freund, Gast.
2. Maxim Maximitsch.
Nachdem ich von Maxim Maximitsch Abschied genommen, jagte ich rasch an den Abgründen des Terek und des Dareal vorüber. Ich frühstückte zu Kasbek, nahm meinen Thee zu Lars und aß in Wladikawkas zu Abend. Ich verschone euch mit den Beschreibungen der Berge und den Exclamationen, die nichts ausdrücken, – am wenigsten für diejenigen, welche nicht dieselbe Reise gemacht haben; auch will ich euch nicht mit statistischen Notizen behelligen, die ja doch kein Mensch liest.
Ich blieb in einer Schenke, wo alle Reisende einkehren, und in welcher es doch Niemand gibt, der Einem eine Suppe kochen oder einen Fasan braten könnte. Denn die drei Invaliden, welche die Aufwartung besorgen, sind entweder zu dumm oder zu betrunken, als daß irgend etwas von ihnen zu erhalten wäre.
Man erklärte mir, daß ich noch drei Tage dort warten müsse; denn eher komme die "Occasion" (Gelegenheit) aus Jekaterinograd 1 nicht an, und daß ich folglich nicht früher
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