Ein Held unserer Zeit
abreisen könne. Welch eine Gelegenheit! ... Um mich zu zerstreuen, kam ich auf den Einfall, Bela's Geschichte niederzuschreiben, nicht ahnend, daß sie das erste Glied einer langen Reihe von Novellen werden sollte. Da sieht man, wie bisweilen der unbedeutendste Zufall ernste Folgen hat! ... Aber ihr wißt vielleicht nicht, was man in jenem Lande eine Occasion nennt? Das ist eine militärische Bedeckung, bestehend aus einer halben Compagnie Infanterie mit einigen Kanonen, welche die Proviantzüge durch die Kabardie von Wladikawkas bis Jekaterinograd escortirt.
Am ersten Tage langweilte ich mich recht herzlich. Am Morgen des zweiten sehe ich einen Wagen in den Hof fahren .... Ah, Maxim Maximitsch! ... Wir begrüßten uns wie alte Freunde. Ich stellte ihm mein Zimmer zur Verfügung. Er nahm ohne alle Umstände an, schlug mir vertraulich auf die Schulter und machte eine Grimasse, die für ein Lächeln gelten sollte. Welch ein seltsamer Mensch! ... Maxim Maximitsch besaß tiefe Kenntnisse in der culinarischen Kunst. Er verstand ausgezeichnet einen Fasan zu braten, den er sehr passend mit Gurkensauce begoß, und ich muß gestehen, daß ich ohne ihn sehr schmal gelebt haben würde. Eine Flasche Kachetinerwein half uns die Einfachheit unseres Menus vergessen, das nur aus einem einzigen Gericht bestand. Dann steckten wir unsere Pfeifen an und setzten uns, ich ans Fenster und er an den Ofen, denn die Temperatur war feucht und kalt.
Wir bewahrten Beide Schweigen. Wovon hätten wir reden sollen? ... Was er Interessantes erlebt, hatte er mir bereits mitgetheilt, und ich hatte von mir nichts zu erzählen. Ich sah zum Fenster hinaus. Durch die Bäume hindurch gewahrte man eine Menge kleiner niedriger Häuser, die an dem Ufer des hier sehr breiten Terek zerstreut lagen, etwas weiter erhoben sich die Berge mit ihren Felsenkämmen, und aus noch weiterer Ferne blickte der Kasbek mit seinem weißen Cardinalshute herüber. Ich nahm im Geiste von der ganzen Gegend Abschied; mir war traurig zu Muthe ... Lange blieben wir so schweigend sitzen. Die Sonne verschwand hinter den kalten Berggipfeln, ein weißlicher Nebel begann in die Thäler herabzusteigen, – da plötzlich höre ich von der Straße herauf die Töne eines Postglöckchens und das Geschrei mehrerer Postillone. Ein paar Wagen, von schmutzigen Armeniern geführt, fuhren auf den Hof der Herberge. Ihnen folgte eine Reisekalesche, die leer zu sein schien. Die leichte Bewegung, die sorgfältige Construction und die elegante Form derselben hatten ein gewisses ausländisches Gepräge. Hinter diesem Gefährt schritt ein Mann mit großem Schnurrbart her, in polnischem Schnürrock und überhaupt für einen Bedienten ziemlich gut gekleidet. Die Art, wie er seine Pfeife ausklopfte und den Kutscher anredete, ließ über seine Stellung keinen Irrthum aufkommen. Allem Anscheine nach war er der verzogene Diener eines faulen Herrn – eine Art russischer Figaro.
"Sage mir, Freund," rief ich ihm aus dem Fenster zu, "ist das die Occasion, die da soeben angekommen ist?"
Er sah mich ziemlich impertinent an, rückte seine Cravatte zurecht und wandte mir den Rücken.
Ein Armenier, der sich neben ihm befand, begann zu lächeln und antwortete dann statt seiner, daß es in der That die Occasion sei, und daß sie am folgenden Morgen wieder abreisen würde.
"Gott sei Dank!" sagte Maxim Maximitsch, der in diesem Augenblick ans Fenster trat. "Aber welch wundervolles Gefährt," fügte er hinzu. "Ohne Zweifel das irgend eines hohen Würdenträgers, der sich nach Tiflis begibt. Man sieht es, unsere Berge kennt er nicht. Nein, mein Lieber, mit dem Wägelchen kommt er nicht weit und käme es aus der Fabrik des besten englischen Wagenbauers. Aber wem mag das Ding wol gehören? ... Das müssen wir doch wissen ..."
Wir gingen in den Corridor hinaus. Am Ende desselben stand die Thür zu einem Nebenzimmer auf, in welches der Diener und der Kutscher Koffer hineintrugen.
"Höre, Freundchen," sagte der Hauptmann zu dem Diener, "wem gehört diese merkwürdige Kalesche? ... In der That, ein sehr schönes Fuhrwerk."
Der Diener brummte, ohne sich umzuwenden, ein paar unverständliche Worte in den Bart und setzte seine Arbeit fort.
Maxim Maximitsch wurde zornig; er schlug dem ungezogenen Menschen auf die Schulter und sagte:
"Ich spreche mit dir!"
"Wem diese Kalesche gehört ...? Na, meinem Herrn ..."
"Und wer ist dein Herr?"
"Petschorin ..."
"Was sagst
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