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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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daß er die Hälfte seiner Zeit auf der Jagd zubrachte, – sein Benehmen gegen sie, wenn er zurückkehrte, war so kalt, so gleichgiltig! Nur selten liebkoste er sie, sie verging zusehends, ihr schönes Gesicht verlängerte sich, ihre großen Augen wurden trübe.
     
    "Warum seufzest und weinst du denn, Bela?" pflegte ich sie manchmal zu fragen. "Hast du irgend einen Kummer?"
     
    "Nein!"
     
    "Wünschest du dir irgend etwas Besonderes?"
     
    "Nein!"
     
    "Trauerst du um deine Eltern?"
     
    "Ich habe keine Eltern mehr."
     
    So erhielt man oft tagelang nur ja und nein oder ganz einsilbige Antworten.
     
    Als ich hierüber mit Petschorin sprach, sagte er zu mir:
     
    "Maxim Maximitsch, ich habe einen unglücklichen Charakter. Ob ich so durch Erziehung geworden oder ob Gott mich so geschaffen hat, – ich weiß es nicht. Aber das weiß ich, daß, wenn ich Anderen Unglück bringe, ich selbst noch viel unglücklicher bin. Das ist ein trauriger Trost für sie, werden Sie mir sagen. Freilich, aber es ist so. Noch ganz jung und kaum der Aufsicht meiner Verwandten entschlüpft, warf ich mich begierig allen Vergnügungen und Genüssen in die Arme, die für Geld zu haben sind, – und natürlich flößten mir diese Genüsse bald nichts als Widerwillen ein. Dann betrat ich die große Welt, aber bald empfand ich in der vornehmen Gesellschaft ebenfalls nur Langeweile. Ich verliebte mich in elegante junge Schönheiten. Ich wurde geliebt; aber dieses eitle Liebesgetändel erregte nur meine Phantasie und meine Eigenliebe; das Herz ging leer dabei aus ... Ich gab mich den Studien hin – auch der Wissenschaft ward ich überdrüssig. Ich erkannte, daß weder der Ruhm noch das Glück von der Wissenschaft abhängt; denn die glücklichsten Menschen sind die unwissendsten; und Ruhm – Ruhm erlangen diejenigen, welche geschickt sind.
     
    Es erfaßte mich eine tödtliche Langeweile ... Da erhielt ich den Befehl, mich nach dem Kaukasus zu begeben: das war die glücklichste Zeit meines Lebens. Ich hoffte, daß die Kugeln der Tscherkessen mir die Langeweile vertreiben würden, – neue Täuschung! Vier Wochen nach meiner Ankunft in diesem Lande war ich so sehr an das Pfeifen der Kugeln und die Nähe des Todes gewöhnt, daß ich in der That weniger darauf achtete, als auf das Summen der Moskitos, und ich war gelangweilter denn je, weil ich fast meine letzte Hoffnung verloren hatte.
     
    Als ich Bela zum ersten Mal im Hause ihres Vaters erblickte, als ich sie zum ersten Mal auf meinen Knieen hielt und ihre schwarzen Locken küßte, da glaubte ich in meiner Thorheit, sie sei ein Engel, den das mitleidige Schicksal mir gesandt habe ... Ich hatte mich abermals geirrt. Die Liebe einer kleinen Wilden ist kaum besser als die einer vornehmen Weltdame. Der Unwissenheit und Einfalt der Einen wird man eben so überdrüssig als der Koketterie der Andern.
     
    Nicht als ob ich Bela nicht mehr liebte. Ich verdanke ihr manche süße Augenblicke und würde mein Leben für sie hingeben, – aber ich langweile mich in ihrer Gegenwart ... Ist es Wahnsinn oder Schlechtigkeit von mir? Ich weiß es nicht; nur das steht fest, ich bin ebenfalls sehr bedauernswerth, vielleicht noch bedauernswerther als sie. Mein Innerstes ist durch die Welt verdorben, die Phantasie immer in Unruhe, das Herz unersättlich. Nichts befriedigt, nichts freut mich mehr. An den Schmerz habe ich mich eben so leicht gewöhnt wie an die Freude, und mit jedem Tage wird mein Leben immer leerer und inhaltsloser. Mir bleibt nur noch ein Heilmittel – das Reisen. Sobald es mir möglich ist, beginne ich zu wandern – aber nicht durch Europa, Gott behüte! Ich reise nach Amerika, Arabien oder Indien – vielleicht finde ich irgendwo unterwegs den Tod! Wenigstens darf ich hoffen, daß Dank den Stürmen und den schlechten Straßen die Zerstreuungen, welche ich suche, sich nicht so bald erschöpfen werden."
     
    In diesem Tone redete er lange fort. Seine Worte sind mir im Gedächtniß geblieben, weil es zum ersten Mal war, daß ich derartige Dinge aus dem Munde eines fünfundzwanzigjährigen Mannes zu hören bekam. Wollte Gott, daß es auch das letzte Mal gewesen! ... Welch eine Sprache! "Aber bitte, sagen Sie mir doch," fuhr der Hauptmann zu mir gewendet fort, "auch Sie haben, wie mir scheint, in der Hauptstadt gelebt, und zwar vor nicht langer Zeit, – sind denn wirklich unsere jungen Leute dort so?"
     
    Ich antwortete ihm, daß es allerdings viele junge Leute gäbe, die eine solche Sprache

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