Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
Vom Netzwerk:
Situation! Endlich sagte ich zu ihr:
     
    "Das Wetter ist sehr schön; willst du mit mir auf den Wällen spazieren gehen?"
     
    Es war im September, und in der That ein herrlicher Tag. Die Temperatur war weder zu frisch noch zu heiß, und all die Wälder ringsum nahmen sich aus, als wären sie auf Porzellan gemalt. Schweigend schlenderten wir auf den Wällen umher; dann setzte sie sich auf den Rasen, und ich setzte mich neben sie ins Gras. Ja, wahrhaftig, es war lächerlich anzusehen, wie ich ihr so auf Schritt und Tritt nachlief wie eine Wärterin.
     
    Unser Fort lag auf einer Anhöhe und von seinen Wällen aus hatte man eine prachtvolle Aussicht. Von der einen Seite dehnte sich eine große, nur von einigen Schluchten zerrissene Ebene bis zum Fuße eines Berges aus, der bis zum Gipfel mit dichtem Holz bestanden war; da und dort gewahrte man Heerden von Pferden und den Rauch der Tscherkessendörfer.
     
    An der andern Seite schlängelte sich ein kleiner Fluß durch die Landschaft, und in diesem Flüßchen spiegelten sich die Gebüsche, welche die felsigen Anhöhen bis zu dem Punkte bedecken, wo sie sich mit der Hauptkette des Kaukasus vereinen.
     
    Wir saßen an einer Ecke der Bastion, so daß wir fast Alles überschauen konnten. Plötzlich sehe ich Jemand auf einem grauen Pferde aus dem Walde herausreiten; er kommt uns immer näher und macht dann endlich an der andern Seite des Flusses etwa zweihundert Schritt von uns Halt. Und nun begann er sein Pferd zu drehen und zu wenden wie ein Verrückter. Ein merkwürdiges Schauspiel!
     
    "Schau' doch 'mal, Bela!" sagte ich; "deine Augen sind noch jünger als die meinen. Wer zum Teufel ist das, und womit amüsirt sich der Mensch?"
     
    "Sie blickte nach der angedeuteten Richtung und rief aus: das ist Kasbitsch."
     
    "Ah, der Taugenichts! Kommt der hierher, um sich über uns lustig zu machen?"
     
    Ich blicke aufmerksamer hin – in der That, es war Kasbitsch mit seinem braunen Gesicht und seinen wie immer zerrissenen Kleidern.
     
    "Das ist das Pferd meines Vaters," sprach Bela und ergriff meine Hand. Sie zitterte wie Espenlaub und ihre Augen funkelten.
     
    Aha, dachte ich, auch du, mein Täubchen, hast Räuberblut in den Adern.
     
    "Komm' einmal hierher," sagte ich zur Schildwache. "Nimm dein Gewehr und blase mir mal den Burschen da drüben über den Haufen, – du bekommst einen Silberrubel, wenn du ihn triffst."
     
    "Zu Befehl, Herr Hauptmann ... Wenn er sich nur nicht unaufhörlich im Kreise drehte."
     
    "Na, so sag' ihm, er sollte einen Augenblick stehen bleiben!" sprach ich lachend.
     
    "Heda, Freund," rief die Wache und winkte mit der Hand; "halt' einmal still; was hast du dich denn in einem fort wie ein Kreisel zu drehen?"
     
    Kasbitsch blieb in der That stehen und horchte auf, da er vermuthlich glaubte, man habe ihm etwas zu sagen. Mein Grenadier nimmt ihn aufs Korn, es knallt ... gehorsamer Diener! In demselben Augenblick gibt Kasbitsch seinem Pferde die Sporen und läßt es einen Seitensprung machen. Dann richtet er sich hoch im Sattel auf, macht uns nach seiner Weise einige Complimente, droht mit der Peitsche – und fort ist er.
     
    "Schämst du dich nicht!" sagte ich zur Schildwache.
     
    "Herr Hauptmann," versetzte der Soldat, "er war dem Tode sehr nahe. Aber diese Menschen sind behext. Mit einem Schusse kann man es ihnen gar nicht anthun."
     
    Eine Viertelstunde später kehrte Petschorin von der Jagd zurück. Bela warf sich ihm in die Arme, ohne wegen seiner langen Abwesenheit eine einzige Klage, einen einzigen Vorwurf zu äußern ... Was mich betrifft, ich war ganz böse auf ihn.
     
    "Hören Sie," sprach ich zu ihm, "soeben war Kasbitsch an der andern Seite des Flüßchens, und wir haben auf ihn geschossen, – Sie hätten ihm begegnen können! Diese Bergbewohner sind ein rachsüchtiges Volk. Glauben Sie, er wisse nicht, daß Sie dem Asamat bei dem Pferdediebstahl geholfen haben? Und ich fürchte, daß er heut Bela erkannt hat. Ich weiß, daß sie ihm vor einem Jahre sehr gefiel, – er selbst hat mir's gesagt, – und wenn er ein anständiges Brautgeld hätte zusammenbringen können, würde er sie wahrscheinlich geheirathet haben ..."
     
    Da wurde Petschorin nachdenklich.
     
    "Ja," versetzte er, "wir müssen vorsichtiger sein ... Bela, von heut' an gehst du nicht mehr auf den Wällen spazieren."
     
    Am Abend hatte ich mit ihm eine lange Auseinandersetzung. Es that mir leid, daß er so ganz anders geworden gegen das arme Mädchen. Nicht blos,

Weitere Kostenlose Bücher