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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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ab.
     
    "Oder ist er sehr eifersüchtig?"
     
    Noch immer keine Antwort.
     
    "Er ist wol jung, schön, wahrscheinlich sehr reich? Und du fürchtest ..."
     
    Ich sah sie an und erschrak: Ihr Antlitz drückte tiefe Verzweiflung aus; in ihren Augen schimmerten Thränen.
     
    "Es macht dir also Vergnügen," flüsterte sie endlich, "mich zu quälen? Ich sollte dich hassen. Seit wir uns kennen, hast du mir nichts als Kummer bereitet ..." ..."
     
    Ihre Stimme bebte; sie hatte sich mir zugeneigt und ihr Köpfchen an meine Brust sinken lassen.
     
    Vielleicht ist das der Grund, dachte ich, weshalb du mich liebtest; die Freuden werden schnell vergessen, die Leiden niemals ...
     
    Ich schloß sie fest in meine Arme, und lange blieben wir so verschlungen. Endlich näherten sich unsere Lippen und einten sich in einem langen feurigen Kuß. Ihre Hände waren kalt wie Eis, aber ihr Kopf brannte.
     
    Dann entspann sich zwischen uns eines jener Gespräche, die man weder niederschreiben, noch erzählen, noch vergessen kann: – der Ton der Stimme ersetzt, ändert und vervollständigt hier die Bedeutung der Worte, wie in einer italienischen Oper.
     
    Sie will entschieden nicht, daß ich mit ihrem Manne Bekanntschaft mache. Es ist jener kleine hinkende Greis, den ich flüchtig auf dem Boulevard sah. Sie hat ihn ihres Sohnes wegen geheirathet; denn er ist reich und leidet an Rheumatismus. Ich habe mir nicht den geringsten Scherz über ihn erlaubt. Sie wird ihn achten wie einen Vater und ihn um die eheliche Treue betrügen. Ein seltsames Ding, dieses Menschenherz ... vor allem aber das Frauenherz! Wera's Gatte, Semen Wassiljewitsch G. ist ein entfernter Verwandter der Fürstin Ligowski. Er wohnt unmittelbar neben ihr. Wera befindet sich häufig bei der Fürstin. Ich habe ihr mein Wort gegeben, mich mit der Fürstin Ligowski bekannt und ihrer Tochter eifrig den Hof zu machen, um die Aufmerksamkeit von ihr abzulenken. Auf diese Weise werden meine Pläne nicht gestört und ich finde meine Freude dabei ...
     
    Ja, meine Freude! ... Ich habe jene Periode des Seelenlebens bereits zurückgelegt, wo man nur das Glück sucht, wo das Herz das unabweisbare Bedürfniß empfindet, irgend einen Gegenstand heftig, leidenschaftlich zu lieben. Jetzt will ich nur geliebt werden und zwar von wenigen. Ich glaube sogar, daß eine einzige beständige Liebe mir genügen würde ... Erbärmliche Gewohnheit des Herzens! ... Eines ist mir immer merkwürdig vorgekommen: Ich bin nie der Sklave einer geliebten Frau gewesen; im Gegentheil, ich habe immer über ihren Willen und ihr Herz eine absolute Gewalt ausgeübt, und zwar ohne jede Anstrengung ... Woher kam das? Lag der Grund vielleicht darin, daß ich mich nie sehr stark fesselte, und daß die Frauen jeden Augenblick fürchteten, ich könnte ihnen entschlüpfen? Oder ist es die magnetische Macht eines starken Organismus? Oder sollte es daher kommen, weil ich nur Frauen von nachgibigem Charakter begegnet bin?
     
    Ich muß gestehen, daß ich die Frauen von Charakter nicht liebe. So etwas kommt ihrer Natur nicht zu ...
     
    Indeß erinnere ich mich, daß ich ein einziges Mal eine Frau mit festem Willen geliebt habe, – eine Frau, die mich hartnäckig zurückstieß ... Wir schieden als Feinde ... Und doch, wenn ich sie fünf Jahre später kennen gelernt, vielleicht hätten wir uns dann anders getrennt.
     
    Wera ist krank, sehr krank, obgleich sie es nicht gestehen will. Ich fürchte, sie hat die Schwindsucht oder jene Krankheit, die man "schleichendes Fieber" nennt – eine Krankheit, die in Rußland gar nicht existirt und für welche man daher in unserer Sprache keinen Namen hat.
     
    Der Sturm brach aus, während wir uns in der Grotte befanden. Er hat uns länger als eine halbe Stunde über unsere Zeit darin zurückgehalten. Wera hat mich nicht genöthigt, ihr Treue zu schwören; sie hat auch nicht gefragt, ob ich seit unserer Trennung andere geliebt .... Sie hat sich mir anvertraut, wie ehemals, mit derselben Harmlosigkeit, und ich werde sie nicht täuschen. Sie ist das einzige Weib in der Welt, das ich nicht würde betrügen können. Ich weiß, daß wir uns bald wieder trennen werden und vielleicht für immer; jeder von uns wird einen andern Weg nach dem Grabe einschlagen; aber ihr Andenken wird niemals aus meiner Seele verwischt werden. Ich sage ihr das unaufhörlich, und sie glaubt mir, obgleich sie das Gegentheil behauptet ... Endlich trennten wir uns. Lange folgten ihr meine Blicke, bis ihr Hut

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