Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
Vom Netzwerk:
Ende ihres Gesprächs verstehen.
     
    "Sie wollen also Ihr ganzes Leben im Kaukasus verbringen?" fragte die Fürstin.
     
    "Warum sollte ich nach Rußland zurückkehren," antwortete ihr Cavalier, – "nach einem Lande, wo Tausende, weil sie reicher sind als ich, mich mit Verachtung ansehen werden, während hier – hier hat dieses unscheinbare Gewand mich nicht verhindert, Sie kennen zu lernen."
     
    "Im Gegentheil ..." sagte erröthend die Fürstin.
     
    Gruschnitzki's Gesicht drückte Zufriedenheit aus. Er fuhr fort:
     
    "Hier verrinnt mein Leben geräuschvoll und unbeachtet und wird bald unter den Kugeln der Tscherkessen enden, und wenn Gott mir auch nur alle Jahre einen jener süßen Frauenblicke gewährte, wie derjenige ..."
     
    In diesem Augenblicke waren die Beiden vor mir; ich schlug mein Pferd mit der Peitsche und es stürzte aus dem Gebüsch heraus ...
     
    "Mon Dieu, un Circassien!" rief erschreckt die junge Fürstin.
     
    Um sie vollständig zu beruhigen, antwortete ich ihr in derselben Sprache, indem ich mich leicht verbeugte:
     
    "Ne craignez rien, madame, je ne suis pas plus dangereux que votre cavalier."
     
    Sie schien verwirrt. Warum? Wegen des Irrthums, den sie begangen, oder fand sie meine Antwort zu keck? Ich wünschte, daß diese letztere Vermuthung die richtige sei.
     
    Gruschnitzki warf mir einen unzufriedenen Blick zu.
     
    Spät am Abend, das heißt gegen elf Uhr, ging ich in der Lindenallee des Boulevards spazieren. Die ganze Stadt schlief; nur in einigen Fenstern schimmerten Lichter.
     
    Von drei Seiten umgaben mich die schwarzen Ausläufer des Maschuk, auf dessen höchster Spitze eine unheildräuende Wolke lag. Im Osten stieg der Mond auf. In der Ferne schimmerten die Schneeberge wie silberner Besatz. Von Zeit zu Zeit mischten sich die Rufe der Wachen mit dem Gemurmel der Warmbäderquellen, die man des Nachts fließen läßt. Ab und zu ertönte auch auf der Straße der Hufschlag eines Pferdes oder das Rasseln eines Wagens, den ein Tatar mit seinem melancholischen Gesang begleitete.
     
    Ich setzte mich auf eine Bank und versank in Träumerei ... Ich fühlte das Bedürfniß, meinen Gedanken in einem herzlichen Gespräch Luft zu machen ... Aber mit wem? ... Was macht jetzt Wera, dachte ich ... Was würde ich nicht darum geben, wenn ich in diesem Augenblick ihre Hand drücken könnte.
     
    Plötzlich höre ich rasche, ungleichmäßige Schritte ... Wahrscheinlich Gruschnitzki ... Und in der That, er ist es!
     
    "Woher?"
     
    "Ich komme von der Fürstin Ligowski," antwortete er mit sehr wichtiger Miene. "Ha, wie Mary singt!"
     
    "Höre mal," sagte ich zu ihm, "ich wette, sie weiß nicht einmal, daß du Fähndrich bist; sie glaubt, du seist degradirt ..."
     
    "Mag sein. Was liegt mir daran!" sagte er zerstreut.
     
    "Nun, ich meinte nur so ..."
     
    "Aber weißt du auch, daß du sie heut' sehr erzürnt hast? Sie fand deine Handlungsweise sehr keck. Ich habe mir alle Mühe gegeben, sie zu überzeugen, daß Jemand, der so wohl erzogen sei und so gut die Gebräuche der vornehmen Welt kenne, nicht die Absicht gehabt haben könne, sie zu beleidigen. Sie antwortete mir, du habest einen unverschämten Blick und müssest daher eine sehr hohe Meinung von dir selbst haben."
     
    "Darin hat sie sich nicht geirrt ... und du, willst du nicht Partei für sie ergreifen?"
     
    "Leider habe ich noch nicht dieses Recht."
     
    "O, o!" dachte ich; er hat offenbar schon Hoffnungen.
     
    "Uebrigens," fuhr Gruschnitzki fort, "hast du dir durch dein Benehmen sehr geschadet; denn jetzt wird es dir sehr schwer werden, Zutritt bei ihnen zu erhalten; und das ist schade denn ich kenne kein angenehmeres Haus als das ihrige."
     
    Ich mußte innerlich lächeln.
     
    "In diesem Augenblick," versetzte ich, "gibt es für mich kein angenehmeres Haus als mein eigenes."
     
    Und damit stand ich gähnend auf, um zu gehen.
     
    "Aber gestehe doch wenigstens, daß es dir leid thut."
     
    "Nicht im Mindesten! Wenn ich will, so werde ich mich schon morgen Abend im Salon der Fürstin befinden."
     
    "Das wollen wir sehen ..."
     
    "Noch mehr, wenn dir das Vergnügen macht: Ich werde Fräulein Mary den Hof machen ..."
     
    "Vorausgesetzt, daß sie mit dir sprechen wollte ..."
     
    "Ich werde nur den Augenblick abwarten, wo dein Gespräch sie langweilt ... Gute Nacht!"
     
    "Ich habe das Bedürfniß, noch ein wenig spazieren zu gehen; schlafen ist mir jetzt unmöglich ... Höre, gehen wir lieber in den Restaurant, man spielt dort

Weitere Kostenlose Bücher