Ein Held unserer Zeit
hinter den Gesträuchen und Felsen verschwunden war. Als ich sie nicht mehr sehen konnte, preßte sich mein Herz schmerzlich zusammen, wie damals, als wir uns zum ersten Mal trennten. O, wie glücklich bin ich, daß ich noch dieses Gefühls fähig bin! Sollte die Jugend mit ihren heilsamen Stürmen vielleicht zu mir zurückkehren, oder ist es nur ein Scheideblick – das letzte Geschenk, das sie mir gleichsam als Andenken vermacht? ... Es ist seltsam! Wenn man mich sieht, sollte man mich noch für jung halten. Mein Gesicht, obgleich blaß, hat noch nichts von seiner Frische verloren; meine Glieder sind kräftig und geschmeidig; mein Haar ist noch dicht, die Augen funkeln, rasch rollt das Blut in den Adern ...
Als ich nach Hause zurückgekehrt war, ließ ich mein Pferd satteln und machte einen Ritt in die Steppe. Ich liebe es, auf einem feurigen Roß durch hohes Gras zu galoppiren, um wider den Wind anzukämpfen. Mit Wollust athme ich die duftige Luft der freien Ebene, während mein Blick in die blaue Ferne schweift und die unsicheren Formen der Gegenstände zu erfassen sucht, die mit jedem Augenblick klarer und deutlicher werden. Welches Leid dann mein Herz auch bedrücken, welche Unruhe meinen Geist dann auch verwirren mag, – Alles ist mit einem Mal verschwunden – Alles hat sich plötzlich geklärt; die Seele fühlt sich leichter, die Ermüdung des Körpers triumphirt über die Unruhe des Geistes. Es gibt keinen Frauenblick, den ich nicht vergessen könnte beim Anblick der Berge, der von südlicher Sonne erhellten Wälder, – beim Anblick dieses blauen Himmels, dieser schäumenden Waldströme, die sich von Fels zu Fels herabstürzen ... Ich glaube, die Kosaken, welche gähnend oben auf ihren Schildwachen stehen, haben, als sie mich so ziellos durch die Ebene sprengen sahen, sich lange über mich die Köpfe zerbrochen, wenn sie mich nicht wegen meines Costüms für einen Tscherkessen gehalten haben. Man hat mir in der That versichert, daß ich in diesem Tscherkessenanzuge mehr einem Kabardier gleiche, als mancher wirkliche Kabardier. Und ich muß wirklich gestehen, im Punkte dieses edlen Kriegerkleides bin ich vollständiger Dandy; nicht eine einzige überflüssige Borte, kostbare und doch einfache Waffen; nichts Uebertriebenes an meiner Pelzmütze. Die Stickereien von größter Genauigkeit; ein weißer Beschmet und ein dunkelbrauner Mantel.
Ich habe viel Zeit darauf verwendet, nach Art der Bergbewohner reiten zu lernen, und nichts schmeichelt meiner Eigenliebe mehr, als wenn man meine Gewandtheit in dieser Beziehung anerkennt. Ich habe vier Pferde; eines für mich, die andern für meine Freunde, denn ich würde es unerträglich finden, allein durch die Felder galoppiren zu müssen. Sie benutzen meine Pferde mit Vergnügen, hüten sich aber wohl, mir Gesellschaft zu leisten.
Es war bereits sechs Uhr, als ich mich erinnerte, daß es Zeit zum Essen sei. Auch war mein Pferd müde. Ich schlug einen Weg ein, der von Pjätijorsk nach einer deutschen Colonie führt, wohin sich die Badegäste oft begeben, um ein Picknick zu veranstalten. Dieser Weg schlängelt sich zwischen Buschwerk und kleinen Schluchten hin, durch welche im Schatten hohen Grases geräuschvolle Bäche fließen. Ringsum erheben sich amphitheatralisch die blauen Kämme des Beschtu, des Smennoy, des Schelesnoy und des Lissoy ... Indem ich durch einen dieser Abgründe, die man in der Landessprache Balki nennt, hinunterritt, hielt ich an, um mein Pferd trinken zu lassen. In demselben Augenblick bemerkte ich auf der Straße eine lärmende und glänzende Cavalcade; die Damen in blauen oder schwarzen Amazonen, die Herren in Costümen, die halb tscherkessisch halb groß-russisch waren. An der Spitze befanden sich Gruschnitzki und die Fürstin Mary.
Die Damen, welche die Bäder besuchen, glauben noch, daß sie am hellen Tage von den Tscherkessen angefallen werden könnten. Wahrscheinlich hatte sich Gruschnitzki aus diesem Grunde einen Säbel über seinen Mantel gehängt und ein paar Pistolen in seinen Gürtel gesteckt. Er sah ziemlich lächerlich aus in dieser heldenhaften Ausrüstung. Ein hoher Busch entzog mich den Blicken der Gesellschaft; aber durch die Zweige desselben konnte ich sie ganz deutlich sehen, und aus dem Ausdruck ihrer Gesichter schloß ich, daß die Unterhaltung eine sentimentale Wendung genommen hatte.
Endlich näherten sie sich dem Abhange. Gruschnitzki ergriff das Pferd der Fürstin am Zügel, und da konnte ich das
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