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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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nähern," fuhr ich fort, "weil Sie von einem allzudichten Kreise von Anbetern umgeben sind, und ich in demselben vollständig zu verschwinden fürchtete."
     
    "Ihre Furcht war unbegründet; sie sind alle langweilig."
     
    "Alle! Alle ohne Ausnahme?"
     
    Sie sah mich fest an, als suche sie sich an etwas zu erinnern; dann erröthete sie wieder ein wenig und sprach endlich in festem Tone:
     
    " Alle! "
     
    "Sogar mein Freund Gruschnitzki?"
     
    "Ist er Ihr Freund?" sagte sie mit etwas zweifelnder Miene.
     
    "Ja."
     
    "Nun, er gehört nicht zu den Langweiligen."
     
    "Aber zu den Unglücklichen," versetzte ich lachend.
     
    "Gewiß, und darüber können Sie lachen? Ich möchte wünschen, Sie wären an seiner Stelle ..."
     
    "Ich? Aber ich bin gerad' so gut wie er Fähndrich gewesen, und in der That, es war die glücklichste Zeit meines Lebens!"
     
    "Wie, er ist Fähndrich?" sagte sie rasch, und dann setzte sie hinzu, "ich glaubte ..."
     
    "Was glaubten Sie?"
     
    "Nichts ... Wer ist diese Dame?"
     
    Hier nahm unser Gespräch eine andere Wendung, und es war mir nicht möglich, es wieder auf den früheren Gegenstand zu bringen.
     
    Die Mazurka war aus und wir trennten uns – auf Wiedersehen. Die Damen fuhren nach Hause. Ich entfernte mich, um zu soupiren, und da traf ich Werner.
     
    "Aha," sagte er, "so also geht's mit Ihren Entschlüssen! Sie wollten ja die Fürstin nicht anders kennen lernen, als indem Sie sie aus irgend einer Todesgefahr retteten."
     
    "Ich habe mehr gethan," erwiderte ich ihm; "ich habe sie davor bewahrt, mitten auf dem Balle in Ohnmacht zu fallen."
     
    "Wieso? Erzählen Sie."
     
    "Nein, Sie müssen rathen, – Sie, der Sie Alles errathen!"
     
     
    * * *
     
     30. Mai.
     
     
    Gegen sieben Uhr ging ich auf dem Boulevard spazieren. Gruschnitzki, der mich von fern erblickte, kam mir entgegen. In seinen Augen glänzte eine gewisse komische Begeisterung. Er drückte mir fest die Hand und sagte in feierlichem Ton:
     
    "Ich danke dir, Petschorin. Verstehst du mich?"
     
    "Nein. In jedem Fall habe ich keinen Anspruch auf Dankbarkeit," erwiderte ich, "da ich wirklich keine einzige Wohlthat auf dem Gewissen habe."
     
    "Wie! Und gestern Abend? Hast du sie etwa vergessen? Mary hat mir Alles erzählt."
     
    "Was denn? Ist vielleicht schon zwischen euch Alles gemeinschaftlich? Sogar die Dankbarkeit?"
     
    "Höre," fuhr Gruschnitzki mit sehr wichtiger Miene fort, "ich bitte dich, spotte nicht über meine Liebe, wenn du willst, daß wir Freunde bleiben ... Siehst du, ich liebe sie bis zum Wahnsinn ... Und ich glaube, ich hoffe, sie erwiedert meine Liebe ... Und nun habe ich eine Bitte an dich. Du gehst heut' Abend zu ihnen: Versprich mir, sie genau zu beobachten. Ich weiß, du hast Erfahrung in solchen Dingen, du kennst die Frauen besser als ich ... Die Frauen, die Frauen! Wer kann sie begreifen? Ihr Lächeln steht oft im Widerspruch mit den Blicken; ihre Worte ziehen uns an und ermuthigen uns, aber der Ton ihrer Stimme stößt uns zurück ... Bald errathen sie unsere geheimsten Gedanken, bald verstehen sie die deutlichsten Anspielungen nicht ... Höre, was mir z.B. mit Mary passirte. Gestern funkelten ihre Augen vor Leidenschaft, wenn sie mich ansah, heut' sind sie kalt und trübe ..."
     
    "Das ist vielleicht die Wirkung des Bades," antwortete ich.
     
    "Du siehst Alles von der schlimmen Seite an ... Du bist Materialist!" setzte er verächtlich hinzu; "aber reden wir von einer andern Materie."
     
    Und die Freude, die er über seinen ziemlich matten Wortwitz empfand, gab ihm seine Heiterkeit wieder.
     
    Gegen neun Uhr begaben wir uns mit einander zu der Fürstin.
     
    Als ich an Wera's Wohnung vorüberkam, erblickte ich sie am Fenster. Wir tauschten einen flüchtigen Blick aus. Kaum waren wir in dem Ligowski'schen Salon, als auch sie erschien. Die Fürstin stellte mich ihr als ihrer Verwandten vor. Es wurde Thee getrunken. Es waren ziemlich viel Gäste anwesend, und Alle betheiligten sich an der Unterhaltung. Ich war bemüht, der Fürstin Mutter zu gefallen, und einige Male gelang es mir, sie mit meinen Scherzen herzlich lachen zu machen. Auch ihre Tochter hätte offenbar manchmal gern gelacht, aber sie hielt an sich, um nicht aus der angenommenen Rolle zu fallen. Vermuthlich glaubt sie, ein gewisses Schmachten stehe ihr gut zu Gesicht, und vielleicht irrt sie sich darin nicht. Gruschnitzki schien hocherfreut, daß meine Fröhlichkeit sie nicht ansteckte.
     
    Nach dem Thee begaben wir uns

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