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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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Alle in den Salon.
     
    "Bist du mit meiner Folgsamkeit zufrieden, Wera?" flüsterte ich im Vorbeigehen.
     
    Sie sah mich mit einem Blicke voll Liebe und Dankbarkeit an. Ich bin an diese Blicke gewöhnt; aber es gab eine Zeit, wo sie meine ganze Seligkeit ausmachten. Die Fürstin ließ ihre Tochter sich an das Piano setzen. Alle baten sie, zu singen; ich sagte nichts, benutzte diese Gelegenheit und zog mich mit Wera in eine Fensternische zurück, da sie, wie sie sagte, mir etwas mitzutheilen habe, das für uns beide sehr wichtig sei ...
     
    Was wird das sein? ... Kindereien ...
     
    Inzwischen belehrte mich ein durchdringender funkelnder Blick, daß Fräulein Mary sich durch meine Gleichgiltigkeit verletzt fühlte ... O, ich verstehe sie ausgezeichnet, diese stumme, aber ausdrucksvolle, kurze und kräftige Sprache der Augen!
     
    Sie sang. Ihre Stimme ist nicht übel, aber sie singt schlecht ... Uebrigens hörte ich nicht zu, wogegen Gruschnitzki, der ihr gegenüberstand, sie mit seinen Blicken verschlang und jeden Augenblick halblaut sagte: "Reizend, entzückend!"
     
    "Höre," sprach Wera zu mir, "ich will nicht, daß du mit meinem Manne bekannt wirst; aber der Fürstin mußt du unbedingt zu gefallen suchen. Das wird dir leicht sein; denn du kannst Alles, was du willst; und nur hier können wir uns sprechen ..."
     
    "Nur hier?"
     
    Sie erröthete und fuhr fort:
     
    "Du weißt, ich bin deine Sklavin. Ich habe dir niemals etwas abschlagen können ... und ich werde für diese Schwäche bestraft werden: du wirst mich vergessen! Aber ich will wenigstens meinen Ruf bewahren ... nicht meinetwegen – du weißt das besser als irgend Jemand! ..."
     
    "O, ich bitte dich, quäle mich nicht wie früher durch eingebildete Zweifel und berechnete Kälte; vielleicht lebe ich nicht mehr lange; ich fühle, meine Kräfte nehmen mit jedem Tage ab ... und doch vermag ich nicht an das zukünftige Leben zu denken, – ich denke nur an dich ... Ihr Männer begreift nicht, welch ein Genuß für uns in einem Blick, in einem Händedruck liegt ... Was mich betrifft, ich schwöre dir's, wenn ich nur deine Stimme höre, empfinde ich eine so tiefe, eigenthümliche Seligkeit, daß selbst deine feurigsten Küsse mich nicht dafür entschädigen könnten."
     
    Mittlerweile hatte Mary aufgehört zu singen. Ein Beifallsgemurmel umgab sie. Ich näherte mich ihr nach allen Andern und sagte ihr etwas nachlässig irgend ein Compliment wegen ihrer Stimme.
     
    Sie verzog ein wenig das Mäulchen und verbeugte sich mit ironischer Miene.
     
    "Das ist um so schmeichelhafter für mich," sagte sie, "als Sie mich gar nicht gehört haben. Vielleicht lieben Sie die Musik nicht."
     
    "Im Gegentheil ... besonders nach dem Diner."
     
    "Gruschnitzki hat Recht, wenn er sagt, Sie seien der prosaischste Mensch von der Welt. Ich sehe, Sie betrachten die Musik nur vom gastronomischen Gesichtspunkte."
     
    "Da sind Sie wieder im Irrthum. Ich bin gar nicht Gastronom. Mein Magen erlaubt mir das nicht. Aber die Musik schläfert ein nach dem Diner, und nach dem Diner schlafen ist gesund; folglich liebe ich die Musik vom medicinischen Standpunkt. Am Abend dagegen erregt sie zu sehr meine Nerven: sie macht mich entweder zu betrübt oder zu heiter. Das Eine wie das Andere ist unangenehm, wenn kein genügender Grund vorliegt, fröhlich oder melancholisch zu sein. Zudem ist Traurigkeit in der Gesellschaft lächerlich und zu große Fröhlichkeit nicht immer wohlanständig ..."
     
    Sie hörte mich nicht bis zu Ende an, entfernte sich und setzte sich neben Gruschnitzki, mit dem sie irgend ein sentimentales Gespräch anknüpfte. Sie schien mir jedoch zerstreut zu sein, obgleich sie that, als hörte sie die anspruchsvollen Redensarten meines Freundes mit großer Aufmerksamkeit an; denn dieser betrachtete sie während seiner Rede mit Erstaunen und suchte die Ursache der innern Aufregung, die sich zuweilen in ihrem unruhigen Blicke kundgab, zu errathen.
     
    Aber ich habe dich errathen, meine liebenswürdige Prinzessin. Nimm dich in Acht! Du willst mich mit gleicher Münze bezahlen und meine Eigenliebe stacheln, – es wird dir nicht gelingen! Und erklärst du mir den Krieg, so werde ich kein Erbarmen kennen.
     
    Im Laufe des Abends versuchte ich mich wiederholt in ihr Gespräch zu mischen; allein sie nahm meine Bemerkungen ziemlich trocken auf und ich zog mich endlich mit erzwungenem Aerger zurück. Fräulein Mary triumphirte; Gruschnitzki ebenfalls.
     
    Triumphirt nur, meine

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