Ein Held unserer Zeit
Zauber darin, ein junges Herz zu besitzen, das sich gerade entfaltet! Es ist wie die Blume, die ihren süßesten Wohlgeruch ausströmt, wenn der erste Sonnenstrahl sie berührt. In diesem Augenblick muß man sie pflücken und sie, nachdem man sich an ihren süßen Düften berauscht, auf die Straße werfen, wo der erste beste sie aufheben wird! Ich empfinde in mir diesen nicht zu stillenden Durst, dieses Bedürfniß, Alles zu schlürfen, was ich auf meinem Wege finde. Fremde Freuden und Leiden betrachte ich nur in ihrer Beziehung zu mir – als eine Speise, welche meine Seelenkräfte nährt. Selbst bin ich nicht mehr fähig unter der Herrschaft der Leidenschaft den Verstand zu verlieren; mein Ehrgeiz ist in mir durch die Verhältnisse zurückgedrängt, aber er ist in anderer Weise zu Tage getreten; denn Ehrgeiz ist nichts Anderes, als der Durst nach Herrschaft, – und mein größter Genuß besteht darin, Alle, die mich umgeben, unter meinen Willen zu beugen. In einem fremden Herzen das Gefühl der Liebe, der Hingebung und der Furcht wach zu rufen – ist das nicht das erste Zeichen und zugleich der größte Triumph der Herrschsucht?
Und für einen Andern die Ursache der Freude und des Schmerzes sein, ohne daß man dazu das mindeste Recht hat, – ist das nicht die süßeste Nahrung unseres Stolzes? Und was ist Glück? Nichts als befriedigter Stolz. Wenn ich mich als den besten, als den mächtigsten aller Menschen betrachten könnte, so würde ich glücklich sein. Wenn alle mich liebten, so fände ich in mir selbst eine unerschöpfliche Quelle der Liebe.
Böses gebiert Böses. Das erste Leiden gibt uns einen Begriff von dem Vergnügen, das man empfindet, wenn man andere quält. Die Vorstellung des Bösen kann nicht in den Geist des Menschen eindringen, ohne zugleich den Wunsch in ihm wachzurufen, das Böse zu thun. Die Vorstellungen, hat irgend Jemand gesagt, sind organische Wesen. Schon ihre Geburt gibt ihnen eine Form und diese Form ist die That. Je mehr Vorstellungen (Ideen) in dem Gehirn Jemandes entstehen, um so viel mehr ist dieser thätig als Andere. Das der Grund, weshalb ein Genie, das an den Bureautisch gefesselt ist, entweder stirbt oder verrückt wird, – just wie ein Mensch mit kräftiger, sanguinischer Constitution, wenn er zu einer seßhaften Lebensweise verurtheilt ist, endlich am Schlage stirbt.
Leidenschaften sind nichts Anderes als Ideen in ihrer ersten Entwickelung. Sie sind eine Eigenthümlichkeit der Jugend des Herzens; und derjenige täuscht sich gewaltig, der sie durch sein ganzes Leben bewahren zu können glaubt! Wie manche friedlichen Flüsse entspringen schäumenden Wasserfällen, – kein einziger behält seinen ungestümen, heftigen Lauf bis zum Meere bei. Aber diese Ruhe ist oft das Zeichen einer gewaltigen, wenn auch verborgenen Kraft. Fülle und Tiefe der Gefühle und Gedanken gestatten keine tollen Ausbrüche. In der Freude wie im Leid gibt sich die Seele von Allem strenge Rechenschaft und überzeugt sich, daß es so sein muß; sie weiß, daß ohne die Gewitter die beständige Hitze der Sonne sie verdörren würde. Sie ergründet die Bedingungen ihres eigenen Lebens – und schmeichelt oder bestraft sich wie ein verwöhntes Kind. Erst wenn der Mensch zu dieser höchsten Selbstkenntniß gelangt ist, vermag er die göttliche Gerechtigkeit zu würdigen.
Indem ich diese letzten Seiten noch einmal überlese, bemerke ich, daß ich mich von meinem Gegenstande weit entfernt habe ... Aber was liegt daran? ... Ich schreibe ja dieses Tagebuch für mich selbst, und somit wird Alles, was ich hier verzeichne, später eine kostbare Erinnerung für mich sein – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
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Gruschnitzki ist zu mir gekommen und hat sich mir an den Hals geworfen. Er ist zum Offizier avancirt. Wir haben Champagner getrunken. Kurz nach ihm kam auch Doctor Werner.
"Ich werde Ihnen nicht gratuliren," sagte er zu Gruschnitzki.
"Warum nicht?"
"Weil der Soldatenmantel Ihnen sehr schön sitzt, und Sie werden gestehen, daß eine hier verfertigte Offiziersuniform Sie nicht interessanter machen wird ... Sehen Sie, bisher waren Sie eine Ausnahme, jetzt fallen Sie unter die allgemeine Regel."
"Reden Sie nur, Doctor, reden Sie nur! Sie werden mich darum in meiner Freude nicht stören ...
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