Ein Held unserer Zeit
Quelle der jungen Fürstin.
"Sind Sie krank?" fragte sie, indem sie mich fest anblickte.
"Ich habe heut' Nacht nicht geschlafen."
"Ich ebenfalls nicht ... Ich klagte Sie an ... vielleicht mit Unrecht. – Aber erklären Sie sich doch. Ich kann Ihnen Alles verzeihen."
"Alles?"
"Ja, Alles ... Aber sagen Sie mir die Wahrheit, und zwar bald ... Sehen Sie, ich habe viel hin- und hergedacht, um mir Ihr Benehmen zu rechtfertigen. Vielleicht fürchten Sie Hindernisse seitens meiner Verwandten ... Nein, sie werden keine Schwierigkeiten machen, wenn sie erfahren, (ihre Stimme bebte) ich werde mit Bitten in sie dringen ... Oder vielleicht Ihre eigene Lage? ... Aber, ich sage Ihnen, ich kann Alles opfern für den, den ich liebe ... O, antworten Sie mir schnell, – reden Sie, reden Sie! Nicht wahr, Sie verachten mich nicht?"
Bei diesen Worten ergriff sie meine Hand.
Ihre Mutter ging mit Wera's Gatten an uns vorüber, ohne uns zu sehen. Aber die promenirenden Badegäste, die neugierigsten Geschöpfe aus dem ganzen Geschlecht der Verleumder, konnten uns sehen, und ich beeilte mich, meine Hand von ihrem leidenschaftlichen Druck zu befreien.
"Ich werde Ihnen die ganze Wahrheit sagen," versetzte ich; "ich werde mein Benehmen weder rechtfertigen, noch erklären; ich liebe Sie nicht."
Ihre Lippen erblaßten.
"Verlassen Sie mich," sagte sie mit kaum vernehmlicher Stimme.
Ich zuckte die Achsel und entfernte mich.
* * *
25. Juni.
Zuweilen verachte ich mich. Sollte das der Grund sein, daß ich auch Andere verachte? Ich bin edler Triebe nicht mehr fähig. Ich würde fürchten, mich in meinen eigenen Augen lächerlich zu machen. Ein Anderer an meiner Stelle würde der Fürstin "sein Herz und sein Vermögen" zu Füßen gelegt haben; aber das Wort Heirath übt eine magische Wirkung auf mich. So leidenschaftlich ich eine Frau auch lieben mag, sobald sie mir zu verstehen gibt, ich möchte sie heirathen, – dann fahre hin, Liebe! Mein Herz verwandelt sich dann in einen Stein, und nichts vermag es wieder zu erweichen. Zu allen Opfern bin ich bereit, nur zu diesem nicht. Zwanzigmal könnte ich mein Leben, sogar meine Ehre aufs Spiel setzen – aber meine Freiheit werde ich niemals verkaufen.
Warum ist sie mir denn so theuer? Was mache ich mit ihr? Habe ich irgend etwas im Auge? Habe ich von der Zukunft irgend etwas zu erwarten? ... Nichts, absolut nichts! Es ist dies eine angeborene Furcht, ein unerklärliches Vorgefühl ... Es gibt Leute, die einen entsetzlichen Abscheu vor Spinnen, Schwaben oder Mäusen haben. Soll ich's gestehen? Als ich noch Kind war, sagte mir eine alte Frau in Gegenwart meiner Mutter meine Zukunft voraus; sie prophezeite mir, daß eine böse Frau die Ursache meines Todes sein würde. Das machte einen tiefen Eindruck auf mich und flößte mir eine unüberwindliche Abneigung gegen die Ehe ein ... Und doch habe ich das Gefühl, daß ihre Prophezeiung in Erfüllung gehen werde. Ich werde mich wenigstens bemühen, daß es so spät wie möglich geschieht.
* * *
26. Juni.
Gestern ist der Taschenspieler Apfelbaum hier angekommen. An die Thür des Restaurants sind lange Plakate geklebt, die einem hochverehrlichen Publikum anzeigen, daß der weltberühmte Künstler, Akrobat, Chemiker und Optiker die Ehre haben wird, heut' Abend acht Uhr in dem Adelssaal (das heißt bei dem Restaurateur) eine große Vorstellung zu geben. Das Billet kostet zwei und einen halben Rubel.
Alle Welt will den wunderbaren Künstler sehen; sogar die Fürstin Ligowski hat sich trotz der Krankheit ihrer Tochter ein Billet holen lassen.
Nach dem Essen ging ich heut' an Wera's Fenstern vorüber. Sie saß auf dem Balkon und warf mir folgenden Zettel zu:
"Komm' heut' Abend zehn Uhr über die große Treppe zu mir. Mein Mann ist nach Pjätigorsk gereist und wird erst morgen früh zurückkehren. Meine ganze Dienerschaft und die der Fürstin wird nicht zu Hause sein. Ich habe ihnen sämmtlich Billets zu der heutigen Vorstellung gegeben. – Ich erwarte dich; du mußt unfehlbar kommen."
"Aha," dachte ich, "endlich fügt sie sich meinen Wünschen."
Gegen acht Uhr begab ich mich an den Ort, wo Apfelbaum seine Künste producirte. Gegen neun Uhr war der Saal mit Zuschauern angefüllt, und die Vorstellung begann. In den hinteren Reihen erkannte ich die Dienerschaft Wera's und der Fürstin. Nicht ein einziger fehlte.
In der ersten Reihe
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