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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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Sie auf! ... Diebe! Tscherkessen!"
     
    "Ich habe den Schnupfen," antwortete ich, "und habe keine Lust, mich zu erkälten."
     
    Sie entfernten sich.
     
    Ich bedauerte, daß ich ihnen geantwortet; sie würden mich noch über eine Stunde im Garten gesucht haben.
     
    Inzwischen war ein schrecklicher Lärm entstanden.
     
    Aus dem Fort war ein Kosak herbeigelaufen. Alles war auf den Beinen. Alle Gebüsche klopfte man ab, um die Tscherkessen zu erwischen, was natürlich verlorene Mühe war. Trotzdem hatten ohne Zweifel viele die feste Ueberzeugung, daß, wenn die Garnison nur etwas mehr Eifer und Entschlossenheit gezeigt, wenigstens ein Dutzend Räuber auf dem Platze geblieben wären.
     
     
    * * *
     
     27. Juni.
     
     
    Heute Morgen war an der Quelle von nichts Anderem die Rede, als von dem nächtlichen Ueberfall der Tscherkessen. Nachdem ich die vorgeschriebene Anzahl Mineralwasser getrunken und ein Dutzend Mal in der langen Lindenallee auf- und abgegangen war, begegnete ich Wera's Gatten, der soeben von Pjätigorsk zurückgekehrt war. Er nahm mich unter den Arm, und wir traten zusammen in die Restauration, um zu frühstücken. Er war in sehr großer Unruhe wegen seiner Frau.
     
    "Welch' einen Schrecken hat sie heut' Nacht haben müssen!" sagte er. "Und da mußte das noch gerade während meiner Abwesenheit geschehen."
     
    Wir setzten uns an einen Tisch neben einer Thür, die in ein Eckzimmer führte, in welchem sich etwa zehn junge Leute befanden; unter ihnen war auch Gruschnitzki.
     
    Der Zufall gab mir zum zweiten Mal Gelegenheit, ein Gespräch anzuhören, das entscheidend für sein Schicksal werden sollte. Er konnte mich nicht sehen, weshalb ich auch seine Absicht nicht zu errathen vermochte; aber das vergrößerte nur seine Schuld in meinen Augen.
     
    "Aber waren es denn wirklich Tscherkessen?" fragte Einer von ihnen. "Hat Jemand sie gesehen?"
     
    "Ich will Ihnen die ganze Wahrheit erzählen," erwiderte Gruschnitzki. "Aber, bitte, verrathen Sie mich nicht. Die Sache verhält sich folgendermaßen: Gestern Abend kam Jemand, den ich Ihnen nicht nennen werde, zu mir und erzählte mir, er habe gegen zehn Uhr Jemand sich in das Haus der Fürstin Ligowski schleichen sehen. Ich muß hierbei bemerken, daß die Fürstin sich hier befand, und daß ihre Tochter allein zu Hause war. Ich folgte dem Manne, der mir diese Mittheilung gemacht, und wir begaben uns unter die Fenster der Fürstin, um den glücklichen Verführer abzufassen."
     
    Ich gestehe, daß ich große Angst hatte, obgleich mein Begleiter sehr angelegentlich mit seinem Frühstück beschäftigt war. Er konnte höchst unangenehme Dinge zu hören bekommen, wenn Gruschnitzki die Wahrheit errathen hatte. Aber durch seine Eifersucht verblendet, war er weit entfernt, das Richtige zu argwöhnen.
     
    "Wir begaben uns also," fuhr Gruschnitzki fort, "nach dem Ort der That, bewaffnet mit einer blindgeladenen Flinte, – denn sehen Sie, wir wollten ihm nur Angst einjagen. Bis zwei Uhr Morgens mußten wir warten. Endlich – Gott mag wissen, wo er herkam; aber nicht aus dem Fenster, denn das wurde gar nicht geöffnet – wahrscheinlich durch die Glasthür, welche sich hinter der Säule befindet, – endlich, sage ich, sehen wir Jemand vom Balkon heruntersteigen ... Na, was sagen Sie zu dieser jungen Fürstin? Ja, so sind sie, diese Moskauer Damen! Da traue man noch Einer! ... Wir wollten ihn festnehmen, aber er riß sich von uns los, – und fort sprang er, wie ein Hase ins Gebüsch; da gab ich Feuer auf ihn."
     
    Ein Gemurmel des Zweifels entstand nach dieser Erzählung.
     
    "Sie wollen's nicht glauben?" fuhr er fort. "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß Alles die reinste Wahrheit ist, und zum Beweise werde ich Ihnen den Herrn nennen."
     
    "Rede, sprich, wer ist's?" ertönte es von allen Seiten.
     
    "Petschorin!" antwortete Gruschnitzki.
     
    In diesem Augenblick blickte er auf – ich stand ihm gegenüber in der Thür. Er wurde feuerroth.
     
    Ich trat auf ihn zu und sagte langsam und bestimmt:
     
    "Ich bedaure sehr, daß ich erst gekommen bin, nachdem Sie bereits Ihr Ehrenwort abgegeben hatten, um die unwürdigste Verleumdung von der Welt zu bekräftigen. Meine Gegenwart würde Sie abgehalten haben, diese letztere Gemeinheit zu begehen."
     
    Gruschnitzki sprang von seinem Sitze auf und wollte wüthend werden.
     
    "Ich ersuche Sie," fuhr ich in demselben Tone fort, "augenblicklich Ihre Worte zurückzunehmen; Sie wissen sehr wohl, daß sie aus der Luft

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