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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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eine einzige Entscheidung: Hatte Paul einen Vater, der ihn liebte und verdiente, würde ich ihn aufgeben. Wenn nicht, würde ich ihn behalten.
    Ich hatte mein Aufnahmegerät und die Visitenkarten mit einem falschen Namen und einer falschen Adresse, die ich heute Morgen ausgedruckt hatte, dabei. Vermutlich würde Baker ihrem Ehemann Mike eine überarbeitete Fassung der Wahrheit liefern, nach der Paul ein kanadischer Junge war, der seinen Eltern verlorengegangen war. Ich hatte mich auf die Suche nach seinem Vater gemacht, weil es einfacher schien, als die Behörden einzuschalten.
    Ich hatte mich sorgfältig angezogen, damit ich als Geschäftsfrau durchgehen konnte: schmale Cordhose, Pullover, Lederschuhe und ein schwarzer Leinenblazer, der neben mir auf dem Beifahrersitz lag. Das Haar hatte ich zu einem langen Zopf geflochten. Nicht gerade der Prototyp einer Managerin, aber der Blazer würde sicher helfen.
    Ich hatte mir noch nicht überlegt, wie ich zu Dumond vordringen wollte, doch dafür blieb auf der Fahrt genügend Zeit. Die kanadische Grenze ist etwa hundertdreißig Kilometer entfernt, und die Straße schlängelt sich durch Kleinstädte, die so hinterwäldlerisch wirken, dass man sich ohne die modernen Autos und vereinzelten Fastfood-Restaurants mehrere Jahrzehnte zurückversetzt fühlen könnte.
    Als ich eine FedEx-Paketbox entdeckte, kam mir eine Idee. Ich wendete und öffnete den Deckel, unter dem sich die Etiketten und Umschläge befanden. Ich hatte Glück: Es gab Etiketten fürs In- und Ausland. Ich schnappte mir einen Umschlag und adressierte ihn an Dumond, wobei ich den Vornamen unleserlich hinkritzelte und eine Bostoner Adresse als Absender angab. Ich schob einen Zettel in den Umschlag, klebte ihn zu, |65| steckte das Adressetikett hinter die Plastiklasche und legte den Brief neben mich. Dann fuhr ich weiter.
    Ich erreichte das St. Regis-Reservat und kam am Akwesane Mohawk Casino vorbei. Der Parkplatz war ziemlich voll, und ich bemerkte eine Gruppe dicklicher weißer Frauen mit Bauchtaschen, die auf dem Weg zu den einarmigen Banditen waren. Ich betrachte das Glücksspiel in den Reservaten als späte Rache der Indianer an den weißen Amerikanern. Wir haben sie auf das am wenigsten attraktive Land verdrängt und strömen jetzt in ihre Casinos, um dort unser Geld zu lassen.
    Vergeltung, könnte man sagen.
    In den Reservaten ist Benzin immer günstiger, also hielt ich in Bear’s Den und ging auf die Toilette, während ein großer, mit Jeans bekleideter Mohawk mit kurzem dunklem Haar meinen Wagen auftankte.
    In Cornwall überquerte ich die Grenze und musste kurz anhalten, weil ein Zollbeamter meinen Pass überprüfte und einige Routinefragen stellte. Anscheinend wirke ich nicht verdächtig, denn ich habe diesen Grenzübergang schon oft passiert, und es wurden mir immer nur die üblichen Fragen gestellt. Noch nie hat jemand meinen Wagen durchsucht.
Wohin fahren Sie? Wie lange bleiben Sie? Welche Staatsangehörigkeit haben Sie? Haben Sie Alkohol oder Zigaretten dabei?
Ab und zu höre ich auch einmal
Haben Sie mehr als 10   000   Dollar dabei?
Dann muss ich mir ein »Sehe ich aus, als
hätte
ich mehr als 10   000   Dollar?« verkneifen. Anscheinend darf man zehn Riesen einführen, ohne sie zu melden, aber keinen Cent mehr.
    Weiter ging es auf dem Highway 138, dann auf den Trans-Canada Highway und über die Abfahrt Zentrum mitten nach Ottawa hinein. Der Verkehr floss problemlos. Mein Herz hämmerte, mein Mund war trocken.
    Es war noch nicht Mittagszeit. Erster Schritt: nachsehen, ob Dumond im Büro ist. Falls nicht, am Nachmittag wiederkommen und notfalls bei Bekannten in Perth schlafen und es morgen |66| noch einmal versuchen. Ich fand einen Parkplatz, suchte mir ein Münztelefon und warf kanadisches Kleingeld aus dem Handschuhfach ein.
    »Agentur Dumond, Colette am Apparat«, sagte eine freundliche Stimme.
    »Hallo. Hier ist Doris Felton. Ich möchte gern Philippe Dumond sprechen.« Ich rechnete mit einem gelangweilten
Worum geht es denn?
, wie ich es aus den Staaten kenne, aber die Kanadier sind freundlicher und weniger misstrauisch als meine Landsleute. Oder aber ich klang so selbstsicher, dass die Dame sofort überzeugt war.
    »Natürlich, einen Augenblick, bitte.« Ich hängte ein, denn ich hatte herausgefunden, was ich wissen wollte: Dumond war im Büro.
    Bevor ich den FedEx-Umschlag in meine schwarze Stofftasche von Lands’ End steckte, riss ich ihn auf, um Dumonds Aufmerksamkeit zu erregen. Er

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