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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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mir eine Idee. Ich hatte das schon öfter gemacht – einen neuen Computer benutzt, ohne das Mailprogramm auf dem alten zu löschen. Madeleine hatte entweder nicht gewusst, dass ihr Programm so eingestellt war, dass die Nachrichten auf dem Server blieben, oder es war ihr egal gewesen. Und auch, dass jeder, der das Passwort kannte, sie abrufen konnte.
    Natürlich hatte sie nicht damit rechnen können, dass sich jemand in ihren Account einloggte. Oder dass sie sterben und Troy Chance kommen und sich an den Computer setzen würde, den sie gemeinsam mit ihrem Ehemann benutzt hatte. Dass sie ihr Passwort erraten würde.
    Ich starrte auf den Bildschirm.
    Gern würde ich sagen, dass mich moralische Grundsätze davon abhielten, die E-Mails zu lesen. Doch von unten erklangen Stimmen. Ich wechselte zurück zu Philippes Account und schloss das Programm.
    Dann eilte ich hinunter und ließ mir nicht anmerken, dass ich soeben die E-Mails einer Toten gesehen hatte.

|158| 24
    Die Männer hatten die speziellen Türschlösser gefunden, die Simon vorgeschlagen hatte, dazu helle Glühbirnen für draußen und ausgeklügelte Fensterriegel. Paul war fasziniert – vielleicht tat es ihm gut, zu sehen, dass das Haus sicherer gemacht wurde.
    Ich schaute zu, wie sie ihre Einkäufe auspackten, doch herumzustehen und Leuten Schraubenzieher anzureichen ist nicht gerade meine Vorstellung von Vergnügen. Ich repariere gerne Sachen, sehe anderen aber nicht gern dabei zu. Also lief ich eine schnelle Runde durch die Nachbarschaft, vorbei an den herrschaftlichen Anwesen. Auch Tiger genoss die frische Frühlingsluft. Ich konzentrierte mich darauf, einen Fuß sauber vor den anderen zu setzen und nicht daran zu denken, was ich soeben getan hatte. Ich kam schneller außer Atem als erwartet – zu viel gute Küche, zu wenig Bewegung.
    Als ich zurückkam, machten sich die Männer gerade über ein Tablett mit Sandwiches, Rohkost und Gebäck her, das Elise für uns vorbereitet hatte. Wir aßen auf Hockern in der Küche, während Simon die Vorzüge der neuen Schlösser erklärte. Ich gab mich interessiert, so wie er es macht, wenn ich über Computer oder Fahrräder spreche. Tiger saß neben Paul, der kleine Stückchen vom Sandwich fallen ließ, wenn er sich unbeobachtet glaubte.
    Wir hatten beschlossen, uns die Stadt anzusehen, nachdem Paul einen kleinen Mittagsschlaf gehalten hatte. Er folgte mir ohne Widerspruch in sein Zimmer, wirkte aber niedergeschlagen. Vermutlich war alles etwas zu viel für ihn gewesen – |159| Simons Besuch und jetzt noch der Ausflug in den Baumarkt. Seine Unterlippe zitterte, als er sich auf die Bettkante hockte.
    »Was ist los?«, fragte ich besorgt. »
Qu’est-ce que c’est le problème?
«
    Er brach in Tränen aus. Mein Instinkt sagte mir, dass er nicht nur übermüdet war und ein bisschen Schlaf brauchte. Irgendetwas war ganz und gar nicht in Ordnung. Ich nahm ihn in die Arme und sprach beruhigend auf ihn ein, während er in mein Hemd weinte. Ich stellte im Flüsterton Fragen; er würgte die Antworten auf Französisch hervor. Es dauerte eine Weile, bis ich ihn verstanden hatte.
    Den letzten Mittagsschlaf hatte Paul in Montreal gehalten. Er war als glücklicher kleiner Junge in einem schönen Heim mit Eltern und einem Kindermädchen, das ihn vergötterte, eingeschlafen und als Gefangener in einem kleinen Raum weit weg von zu Hause wieder aufgewacht.
    Jetzt hatte er Angst, dass das noch einmal passieren könnte.
    Ich nahm sein Gesicht in die Hände und sagte ihm, dass er hier sicher sei, dass sein Vater und Tiger und die neuen Schlösser keine bösen Menschen hereinlassen würden. Als er sich ein wenig beruhigt hatte, ging ich zu Philippe. Ich befürchtete schon, er würde es missbilligen, dass Paul das alles mir und nicht ihm erzählt hatte, doch das war nicht der Fall. Vielleicht war es ihm leichter gefallen, es jemandem, der nicht alles verstand, auf Französisch zu erzählen – wie wenn man im Beichtstuhl mit jemandem spricht, den man nicht sieht.
    Philippe sagte Paul noch einmal das Gleiche wie ich. Wenn er lesen wolle, statt zu schlafen, kein Problem. Pauls Körper entspannte sich ein wenig, als er sich an seinen Vater lehnte.
    Ich nahm ein paar Bücher aus den Regalen und schaute fragend von Tiger zum Bett. Philippe nickte. Ich klopfte aufs Bett und Tiger sprang hinauf. Ich gab ihr ein Zeichen, sie solle bleiben, doch sie schien ohnehin genau zu wissen, wann sie gebraucht wurde.
    |160| Zu Simon sagten wir nur, Paul sei

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