Ein Herzschlag danach
schlimmer.« Meine Fantasie produzierte bereits mehrere Szenarien und jedes einzelne reichte aus, dass ich am liebsten auf der Stelle im Erdboden versunken wäre. »Es ist unmöglich, absolut unmöglich.«
»Alles ist möglich, Lila.« Sara dachte kurz nach. »Wenn ihr beide wirklich wollt. Wenn ich du wäre, würde ich das Risiko eingehen.« Ich holte Luft, um zu widersprechen, aber sie schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab. »Du hast ihn doch schon immer geliebt. Dann wirst du ihn auch für den Rest deines Lebens lieben, oder?«
Ich gab keine Antwort. Natürlich würde ich ihn für den Rest meines Lebens lieben.
»Daran ändert sich also nichts, egal wie er reagiert«, fuhr sie fort. »Warum kannst du es ihm dann nicht sagen?«
Das war kein schlechtes Argument.
»Ich habe Angst davor.«
Schon kam Jack mit den Getränken zu uns zurück.
»Weißt du, es gibt da ein altes Sprichwort«, sagte Sarah. »Ich bin nicht sicher, ob ich es noch richtig im Kopf habe, aber es besagt ungefähr: Wer sich vor dem Leiden fürchtet, wird an seiner Furcht leiden. Denk mal darüber nach.«
Sie wandte sich um, begrüßte Jack mit einem strahlenden Lächeln und nahm ihr Getränk entgegen.
Und ich blickte zu Alex hinüber und grübelte über Saras Worte nach. Er drehte mir immer noch den Rücken zu. Ich stellte mir vor, wie ich es anstellen würde. Ich würde zu ihm hinübergehen, ihm auf die Schulter tippen und ihm direkt ins Gesicht sagen: Ich liebe dich .
Ja, genau. Unter diesen Umständen würde ich lieber weiter an meiner Furcht leiden.
15
Die Damentoiletten befanden sich im rückwärtigen Teil der Bar. Die Tür knallte hinter mir mit einem metallischen Geräusch zu; gleichzeitig hörte ich, wie sie abgeschlossen wurde. Mir stockte der Atem und ich wirbelte herum. Ein Mann lehnte an der Tür, die Hand auf dem Griff.
Mein erster und einziger Gedanke war, dass Jack und Alex sich getäuscht hatten. Die Geiselnehmer waren nicht nach Mexiko geflohen. Und jetzt hatten sie mich gefunden. Das war der Anfang des Vergeltungsangriffs, vor dem mich Alex gewarnt hatte.
Doch dann drehte sich der Mann um und ich erkannte ihn: Es war der seltsame Typ vom kleinen Supermarkt. Der durchgeknallte Nudelmann. Ich wich bis zum Waschtisch zurück, während mein Blick hektisch durch den Raum wanderte, auf der Suche nach etwas, was ich ihm ins Gesicht schleudern konnte. Aber da war nichts als ein Stapel Papiertücher, und die hätten nicht viel Schaden angerichtet.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte der Mann und kam auf mich zu.
»W-wer sind Sie?«, stotterte ich.
»Ich …« Er trat einen Schritt näher. Ich presste mich gegen den Waschtisch, blickte zur Tür und konzentrierte mich darauf, das Schloss zu öffnen. Er bemerkte es nicht, sondern kam noch etwas näher, die Hände beschwichtigend erhoben. Der Bolzen im Türschloss bewegte sich schon.
»Ich bin Key. Ich brauche deine Hilfe, Lila.«
Der Bolzen blieb stehen, als ich meinen Namen hörte. Er schaute mich unentwegt an.
»Woher kennen Sie meinen Namen?«, flüsterte ich fassungslos.
»Ich weiß, wer du bist. Ich weiß, wozu du fähig bist. Ich weiß alles über dich und deinen Bruder.« Er sprach langsam, wahrscheinlich damit mich jedes einzelne Wort wie ein Schlag traf.
»Was? Wer sind Sie?« Meine Gedanken überstürzten sich. »Ich verstehe nicht … Was wissen Sie über mich? Über Jack?«
»Keine Panik. Ich tue dir nichts. Ich gehöre nicht zu denen.« Er legte den Zeigefinger auf die Lippen, um mir zu bedeuten, leiser zu sprechen.
»Von wem sprechen Sie?«, fragte ich vorsichtig.
»Von den Leuten, vor denen dich dein Bruder beschützen will.«
Mein Magen verkrampfte sich. »Woher wissen Sie das alles? Sie gehören doch nicht zur Einheit?« Jetzt flüsterte ich nur noch.
»Nein, nein, ich gehöre ganz bestimmt nicht zur Einheit.« Grimmig schüttelte er den Kopf.
»Was wollen Sie?« Ich stützte mich schwer auf das Waschbecken, konnte mich kaum noch aufrecht halten.
»Ich suche nach denselben Leuten wie dein Bruder.«
»Nach denselben …? Aber warum?«
In seine dunklen Augen trat ein schmerzlicher Ausdruck. »Weil sie meinen Sohn Nate gekidnappt haben.«
Ein Geräusch an der Tür. Jemand klopfte. Wir zuckten beide zusammen. Der Mann blickte zur Tür, dann wieder zu mir zurück. Stumm schien er mich anzuflehen, ihn nicht zu verraten.
»Einen Moment noch«, rief ich mit zittriger Stimme.
»Was ist los da drin?«, rief eine Frauenstimme
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