Ein Hippie-Traum

wird’s gemacht. Alles andere artet in Arbeit aus. Die tollste Erfahrung meines Lebens – ich habe wirklich nie etwas Tolleres erlebt – war 1961, als ich zum ersten Mal in LA war. Ich wurde eingeladen, mir bei Radio Recorders Ray Charles anzusehen, ich kam also ins Studio, da saß Ray und spielte alle Pianoparts mit der linken Hand, las die Braille-Notenschrift mit der rechten, sang live dazu, und hinter ihm spielte ein komplettes Orchester. Ich saß einfach nur da und schaute zu. Und dachte mir, »So werden Platten gemacht. Pack alle in den verdammten Raum und los geht’s.« Damals wusste jeder, dass sie da rein, alle gleichzeitig einen hochkriegen und bei der Stange bleiben mussten. Und drei Stunden später kamen sie aus der verdammten Tür und hatten eine Platte in der Tasche, Mann.
    Natürlich gab es damals keine Acht-, Sechzehn-, Achtundvierzig-, Vierundsechzig-Spur-Geräte, bis zum Abwinken, die die Leute versauen, die das ganze Business und die heutigen Musiker versaut haben, ganz nebenbei – sie so sehr versaut haben, dass sie meiner Meinung nach nicht mehr zurückkönnen. Die Leute haben verstanden, dass sie ihren Part spielen können … später. Spiel deinen Part und ändere ihn später. Und beim Rock   ’n’   Roll ist es so: je weniger du nachdenkst, desto besser.
    Die Leute vergessen sehr leicht, was Rock   ’n’   Roll ist. Schau mal, Mann, ich bin 47 und in Wyoming aufgewachsen, ich habe Autos geklaut und bin 500 Meilen gefahren um Little Richard zu sehen, und eins sag ich dir – als ich diesen Nigger da in seinem goldenen Anzug rauskommen sah, wie er auf der Bühne herumsprang und über das Klavier herfiel und draufloshämmerte und in Salt Lake City total ausrastete, da dachte ich, »Hey Mann, ich will wie er werden. Genau das will ich.« Selbst heute jagt der einem noch Angst ein. Erist das einzig Wahre. Rock   ’n’   Roll ist kein Beruhigungsmittel, ist nicht ungefährlich, hat echt nichts mit Geld oder so was zu tun. Das ist wie Wind, Regen, Feuer – ist elementar. Vierzehnjährige Jungs denken nicht, die fühlen. Rock   ’n’   Roll ist Feuer, Mann, FEUER . Die Haltung macht’s. Die Nase in den Wind halten.
    Das ist auch eine Last. Eine solche Last, dass manche Leute schon nach ein paar Jahren ausgebrannt sind. Sogar den Besten passiert das. Menschen werden alt – sie vergessen, wie es war, ein Kind zu sein, sie übernehmen Verantwortung, sie sind dies und das … Du kannst nur das eine oder das andere haben. Du bist ein Rock’n’Roller. Oder du bist es nicht.
    Lasst euch was sagen: Neil hat in seinem ganzen verdammten Leben noch nie an sich gezweifelt. Neil Young ist der Erste unter Gleichen, und das war schon immer so. Wenn Neil was in die Hand nimmt, dann ist es wie bei Hulk. Seine Aura verfestigt sich – er wird zweifünfzig groß und zwei Meter breit. Mit Ausnahme von John Lennon der einzige Typ, der wirklich zwischen Folk und Country und komplettem Orchester hin und her springen kann. Der Einzige. Ich glaube, wenn die Geschichte des Rock mal geschrieben ist, wird er ohne Zweifel zu den Top 5 derjenigen gehören, die jemals Rock’n’Roll gespielt haben.
    Während der Aufnahmesession im Sunwest ging meine Liebesaffäre mit Autos weiter. Ich kaufte ein 1934er Bentley Mulliner Coupé mit leicht nach vorne versetzter Rückbank, mit dem Briggs und ich während der Aufnahmen zwischen Topanga Canyon und dem Studio in Hollywood hin- und herfuhren. Der Wagen hatte einen Hebel auf dem Boden, mit dem man den Schalldämpfer umgehen und so höhere Geschwindigkeiten erreichen konnte; außerdem sparte man so Benzin. Aber dann röhrte er wie Hölle. Jede Nacht kurvten Briggs und ich von den Sessions nach Hause. Der abgeschaltete Schalldämpfer und das Geknatter versetzten uns inbeste Stimmung, während wir über die Interstate und in die kleinen Straßen am Ende des Topanga Canyon hineinflogen.
    Als wir unsere erste Platte im Kasten hatten, kam Reprise und wollte ein neues technisches Verfahren an uns ausprobieren. Es hörte auf den Namen Haeco- CSG , eine neue Art, Alben zu produzieren. Den Heinzelmännchen bei Wikipedia zufolge:
    Das Haeco- CSG oder Holzer Audio Engineering-Compatible Stereo Generator-System ist ein analoges elektrisches Gerät sowie ein Verfahren, das Howard Holzer, Chefingenieur von A&M Records in Hollywood, entwickelt hat. Seine Firma, Holzer Audio Engineering, entwickelte das System in den 1960ern, als beim Aufzeichnen von Popmusik Schritt für Schritt