Ein Hippie-Traum
muss sie im Auge behalten.
I ch bin jetzt seit sieben Monaten clean. Das ist ziemlich lange. Gelegentlich habe ich noch Gelüste, sei es nach einem Bier, sei es nach einem Joint. Ich habe die Pistol Annies darüber singen hören, aus welchen Gründen sie pleite sind – und wer würde schon was in ihre Zukunft investieren? »One’s drinkin’, one’s smokin’, one’s takin’ pills.« Aber eins weiß ich: Sie schreiben Songs wie wild. Ich habe seit über einem halben Jahr keinen Song mehr geschrieben, und das ist neu für mich. Andererseits habe ich in diesem Buch über neunzigtausend Wörter geschrieben, und das ist ebenfalls neu für mich.
Sonst habe ich immer geschrieben, wenn ich high war. High sein hieß für mich immer, die Realitäten der einen Welt zu vergessen und in die andere Welt abzudriften, die Musikwelt, wo alle Melodien und Texte in einer unberechenbaren und zufälligen Art zusammenkommen, wie ein Geschenk. Ich habe immer behauptet, dass es für die Musik nichts Schlimmeres gibt als Berechnung, und jetzt wüsste ich gern, wie ich ohne high zu sein zur Musik zurückfinde. Manche Leute würden wahrscheinlich sagen, ich sollte lieber einen rauchen und weiter Songs schreiben, weil sich das bewährt hat. Mein Arzt glaubt nicht, dass das gut für mein Gehirn wäre.
In meinem Gehirn steckt außerdem noch eine ganze Menge, was man nur auf einem MRT erkennen kann. Ich weiß nicht, was es ist und was nicht, aber ich kenne die Lebensgeschichte meines Vaters. Er war Schriftsteller und wurde am Schluss dement. Was zum Teufel ist dieses nebelige Zeug in meinem Gehirn? Ich wünschte, ich hätte diese Scheiße nie gesehen. Auf jeden Fall hat man mir geraten, mit dem Grasrauchen aufzuhören, und ich habe aufgehört. Tatsächlich habe ich dieses ganze verdammte Buch in nüchternem Zustand geschrieben. Wenn das keine Zwickmühle ist.
Natürlich gibt es viele Gründe, nüchtern zu sein, und viele Gründe, stoned zu sein, aber das löst gar nichts. Es gibt auch viele Gründe, zu leben und zu sterben. Wohin bringt mich das hier? Ich habe keinen blassen Dunst. Ist das eine Straße da unten im Tal? Die kenne ich nur zu gut. Ich sehe mich noch auf diesem Highwayfahren, in einem Musikschuppen einen draufmachen oder mit den Horse eine Arena zum Kochen bringen, aber wenn ich hin und wieder in den Spiegel schaue, passt das nicht mehr zusammen. Wohin bringt uns das alles hier? Jedenfalls ist es besser, als wehmütig zurückzuschauen, so viel steht fest. Ich bin mir nicht mehr sicher, was wirklich ist und was nicht, das kann ich euch sagen. Je nüchterner ich bin, je wachsamer ich bin, umso weniger kenne ich mich und umso schwerer fällt es mir, mich zu erkennen. Ich brauche irgendwas, das mir ein bisschen Halt gibt, und ich suche es überall.
Gelüste. Ja, habe ich, und nicht zu knapp. Doch dann stelle ich mir vor, wohin mich das bringt, und ich kriege einen Heidenschiss. Manche von euch kennen mich schon sehr lange, andere haben keine blasse Ahnung, was ich bin und wofür ich stehe. Möglicherweise bin ich dabei, mich selbst in diese Schar einzureihen. Wenn ich mich auf etwas konzentriere und dabeibleibe, geht es mir gut; ich werde darüber vielleicht lästig und kategorisch, aber wenigstens bin ich beschäftigt. Es sind die anderen Zeiten, die mir zu schaffen machen.
»It’s Those Other Times« – will das ein Song werden oder was?
Wann werde ich ihn hinkriegen? Wie gottverdammt locker muss ich werden, um noch einmal einen Song hinzukriegen? Warum denn nicht? Schon mal was von Übertragung gehört? Fechte ich die Kämpfe von jemand anders aus? Ist es das? Womit zum Teufel habe ich mir das eingebrockt?
Na gut, ich weiß, diese Anwandlung wird gleich vorbei sein und ich werde mein Augenmerk auf etwas Leichteres richten. Gleich, wenn ich wieder auf dem Highway bin, die Steigung nehme, das Scheißbenzin verbrenne, unterwegs in den Smog. Mir »Bad Example« von den Pistol Annies reinziehe. (Hört euch das mal an. Die Mädels können echt singen.)
Als ich vor zwei Wochen beim Farm Aid in Kansas City auf der Bühne stand, habe ich mich so geerdet wie schon lange nicht mehr gefühlt. Dieses Echo zu hören, hat mich richtig glücklich gemacht. So nahe dran, high zu sein, war ich schon ewig nicht mehr. Ich war high. Ich ging total im Augenblick auf, und alles war kinderleicht. Ich muss mir merken, wie ich in den Zustand gekommen bin. Warum hat es da geklappt? Was war der Schlüssel? Wenigstens weiß ich, dass es geklappt
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