Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
gibt dafür zwar keine wissenschaftliche Erklärung, aber Schwangere sind empfindlich gegen jede Art von Lärm.«
»Zu viel Ruhe ist auch nicht gut. Dann habe ich zu viel Zeit, über die Vergangenheit nachzugrübeln und mir Sorgen um die Zukunft zu machen«, sagte Estella.
Dan lächelte sie an. Die Aussicht, ihr Kind allein großzuziehen, musste ihr Sorgen bereiten, vor allem in einer so abgelegenen Stadt mitten im Busch. Er bewunderte ihren Mut, fragte sich jedoch gleichzeitig, ob ihr Entschluss, nach Kangaroo Crossing zu ziehen, nicht vielleicht – wie bei ihm – eher ein Akt der Verzweiflung gewesen war.
»Also gut, gehen wir eine Weile zu dem Ball«, fuhr Estella fort und fügte in einem plötzlichen Impuls hinzu: »Aber Sie werden hoffentlich nicht zu viel Bier ...« Sie stockte, weil ihr die eigenen Worte nach Dans Freundlichkeit boshaft erschienen.
Dan schüttelte den Kopf. »Ich werde keinen Alkohol anrühren, Estella, wenn Sie mir versprechen, mich dafür auf der Tanzfläche zu entschädigen.«
»Einverstanden. Geben Sie mir ein paar Minuten, um mich herzurichten?«
»Natürlich. Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
Estella steckte sich die Haare hoch und zog eines ihrer hübschesten Kleider an. Um die Taille herum saß es schon ein wenig eng, doch ihr gefiel der weit schwingende Rock, und der blassgrüne Stoff passte wundervoll zu ihren Augen und den dunklen Haaren.
»He!«, rief Dan, als sie wieder erschien. »Sie sehen wunderhübsch aus!«
»Vielen Dank«, gab sie zurück. Sie hatte fast schon vergessen, wie es war, Komplimente zu bekommen, und für ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein tat es Wunder. »Auch dafür, dass Sie mich zu dem Ball mitnehmen, muss ich Ihnen danken«, fügte sie hinzu, denn allein wäre sie nicht gegangen.
»Es ist mir ein Vergnügen«, erwiderte Dan und musterte sie noch einmal von oben bis unten. Ihr entging weder das Leuchten in seinen Augen noch der Stolz in seiner Stimme.
»Wir werden wahrscheinlich einiges Aufsehen erregen, weil wir zusammen erscheinen«, meinte sie.
Dan zuckte mit den Schultern. »Mich stört es nicht – wenn es Sie nicht stört«, entgegnete er und grinste dabei wie ein Schuljunge.
»Es wundert mich, dass Sie sich von Ihrem Dienst im Krankenhaus freimachen konnten.«
»Betty und Kev behalten dort für ein paar Stunden alles imAuge. Beim Rodeo hat es keine schlimmen Verletzungen gegeben, und Betty lässt mich sofort rufen, falls es heute Abend einen Notfall geben sollte. Allerdings bezweifle ich das sehr. In den letzten Jahren hatten wir nie mehr als ein paar Schnitt- und Schürfwunden durch kleine Unfälle in betrunkenem Zustand zu behandeln.« Er zwinkerte ihr zu, und beide dachten daran, dass Dan solche »kleinen Unfälle in betrunkenem Zustand« nicht fremd waren.
Als sie sich dem früheren Jockey-Club näherten, wurde es bereits dunkel. Neben dem Gebäude brannte ein riesiges Lagerfeuer, um das die Aborigine-Viehtreiber und einige der weißen Arbeiter saßen und tranken. In den tanzenden Schatten sah Estella Kinder, die Fangen spielten und dabei immense Staubwolken aufwirbelten. Auf dem Weg zur Tür wurde Dan mit fröhlicher Begeisterung begrüßt. Estella wurde von den Leuten, die sich am Eingang drängten, mit Kopfnicken und zurückhaltendem Lächeln empfangen. Sie wusste, dass alle an Stargazers Comeback dachten.
Der Schalter des Postamtes und die Bankpulte waren an die Wand geschoben und zugedeckt worden, um Platz für eine Tanzfläche zu schaffen. Auf einer improvisierten Bühne saßen Musiker, die Gitarre, Geige, Mundharmonika und Trommel spielten und sogar mit Löffeln musizierten. Ein Mann, den Estella nie zuvor gesehen hatte, sang dazu. Er hatte eine gute Countrymusic-Stimme.
»Guten Abend, Estella!«, rief Marjorie Waitman, die mit einem Tablett voller Getränke vorüberkam. Sie blickte Dan fragend an, doch er ignorierte sie.
»Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie kommen«, sagte jemand.
Estella drehte sich um und stand Murphy gegenüber. Sein Blick war schon leicht getrübt, er wirkte nicht allzu erfreut darüber, Dan zu sehen.
»Dan hat mich überredet«, erwiderte Estella, doch Murphy antwortete nicht.
»Wollen wir tanzen?«, bat Dan. Estella nickte, und schon zog er sie in seine Arme. Die Tanzfläche war überfüllt. Estella bemerkte mit leichtem Unbehagen, dass Murphy sie beobachtete. Doch während sie dahinglitten, spürte sie auch zum ersten Mal die festliche Stimmung um sie herum. Dans Worte fielen ihr wieder
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