Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
angenommen.« In diesem Augenblick beschloss sie, dass ihr »Bekenntnis« diese Bezeichnung auch verdienen sollte und dass sie den Menschen die ganze Wahrheit sagen musste. »Der erste Grund war die verzweifelte Lage, in der ich mich unvorbereitet wiederfand.« Trotzig hob sie den Kopf. »Mein Mann wollte sich scheiden lassen, als ich ihm sagte, dass ich unser erstes Kind erwartete. Das war einer der Gründe, hierher zu kommen.« Die Frauen unter den Zuhörern erschraken zutiefst, auch Phyllis, die inzwischengekommen war. Einige der Männer rückten bei dem Gedanken, dass einer von ihnen so herzlos sein könnte, unbehaglich auf den Stühlen herum.
»Ich erzähle Ihnen das nicht, um ihr Mitleid zu erregen. Aber Sie alle sollen wissen, warum ich einen Ort suchte, an den ich mich zurückziehen konnte, und weshalb ich eine Arbeit brauchte, um mich und mein Kind zu ernähren. Als ich von der Stelle hier in Kangaroo Crossing hörte, nahm ich sie dankbar an, weil sie eine Lösung für all meine Probleme bot: Arbeit und ein Heim für mich und mein Kind. Aber es gab noch einen anderen, viel wichtigeren Grund.« Sie blickte sich um, blickte in die neugierigen Mienen und schluckte schwer. »Ich wollte ... meinen richtigen Vater kennen lernen.« Sie sah Charlie an, und die Zuhörer folgten ihrem Blick.
»Charlie, du alter Geheimniskrämer!«, rief John Matthews.
Charlie blickte ihn verwundert an und Estella erklärte rasch: »Nein, nein! Charlie ist nicht mein Vater, er ist mein Onkel.« Sie hielt inne und beobachtete wieder das Mienenspiel auf den Gesichtern der Zuhörer, die zu begreifen versuchten, was das bedeutete. Die Einzige, die nicht überrascht zu sein schien, war Phyllis.
»Mein Vater war Ross Cooper«, verkündete Estella.
Ungläubige und erstaunte Ausrufe waren zu hören, und Estella sah, wie die allgemeine Verwirrung sich in Empörung verwandelte. »Warum haben Sie das nicht schon früher gesagt?«, rief Marjorie Waitman wütend.
»Weil ich wollte, dass Sie mich als die akzeptieren, die ich bin, und nicht als Tochter meines Vaters«, gab Estella zurück, so ruhig sie konnte. »Ich weiß, dass Sie alle Ross gemocht und bewundert haben ...«
»O ja, das haben wir!«, rief jemand.
»Nun, mir kam es darauf an, mich zu beweisen. Wie schwierig das sein würde, habe ich schon am Abend meiner Ankunft zu spüren bekommen. Damals gaben einige von ihnen mirsehr deutlich zu verstehen, dass sie keine Frau als Tierarzt wollen ...«
»Vor allem keine Lügnerin«, rief ein Mann, der im hinteren Teil des Raumes saß.
»Jetzt aber langsam, Frank«, mischte Charlie sich ein und legte Estella einen Arm um die Schultern. »Es war meine Idee, keinem zu sagen, wer sie ist. Schließlich wusste ich, wie ihr alle über Caroline denkt ...« Er sah Estella an. »Sie war zuerst gar nicht damit einverstanden.«
»Du hättest es besser wissen müssen«, meinte Frances Waitman.
»Ich hätte es sagen können, Charlie«, erklärte Estella. »Stattdessen habe ich auch noch meine Schwangerschaft verschwiegen, und dafür gibt es keine Rechtfertigung.« Sie blickte in die Gesichter, auf denen kurz zuvor noch ein Lächeln gelegen hatte und die jetzt feindselig wirkten. »Sie alle hatten das Recht zu erfahren, wen Sie als Nachfolger für meinen Vater bekamen. Ich möchte nur so viel sagen, dass es mir ehrlich Leid tut, Sie getäuscht zu haben. Nun aber konnte ich keinen Augenblick länger mit diesen Geheimnissen leben.« Wieder schweifte ihr Blick von einem zum anderen. Drückendes Schweigen hatte sich ausgebreitet, das schlimmer war als jede Anschuldigung. Die Atmosphäre erinnerte Estella an den Abend ihrer Ankunft. Das Verzeihen, das sie brauchte und ersehnte, blieb aus.
Schließlich konnte sie die feindselige Stimmung nicht mehr ertragen. Sie wandte sich um und verließ das Hotel, während ihr Tränen über die Wangen liefen.
30
O h, sehr gut – du bist wach!« Murphy hatte sich nur leicht bewegt, doch jetzt drehte er den Kopf in Richtung der Tür, wo Phyllis stand. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du heute Abend noch einmal wiederkommst«, sagte er verschlafen.
»Das hatte ich auch nicht vor, aber in der Bar hat es Ärger gegeben.« Phyllis betrat das Zimmer und blieb neben Murphys Bett stehen.
»Wie meinst du das? Was ist geschehen?«
»Du wirst es nicht glauben ...« Phyllis verstummte und bedachte Murphy mit einem seltsamen Blick. »Oder vielleicht doch ...«
»Wovon sprichst du eigentlich, Phyllis?«
»Weißt du, wer
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