Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
ihr mindestens eine Größe zu klein waren. »Und tragen Sie möglichst Baumwolle – sie klebt nicht so am Körper wie andere Stoffe, wenn Sie schwitzen.«
Estella hatte ihre Jacke schon im Flugzeug ausgezogen, doch ihre weiße Bluse fühlte sich tatsächlich so an, als klebte sie auf der Haut. Sie sehnte sich danach, ihre Nylonstrümpfe auszuziehen.
»Ich glaube, ich ziehe mir am besten gleich andere Schuhe an«, sagte sie und wandte sich um.
»Dann nehmen Sie Murphy bitte was zu trinken mit, ja?«, bat Hattie und goss noch ein Glas voll. »Ich lege inzwischen Lily schlafen.«
Michael Murphy stand mit einem anderen Mann – wahrscheinlich Hatties Ehemann – neben dem Flugzeug. Es überraschte Estella nicht sonderlich, dass Bluey an einem Zweihundert-Liter-Fass lehnte, während Michael schwitzend Benzin aus dem Fass in den Tank des Flugzeugs pumpte.
Bluey war ein hagerer Mann mit lockigen roten Haaren und unzähligen Sommersprossen auf seiner fleckigen, rötlichen Haut. Er trug schmutzige Shorts und ein Unterhemd, das so aussah, als habe er es seit Monaten nicht gewechselt. An den Füßen trug er gar nichts; sie hatten dieselbe Farbe wie der sie umgebende Staub. Als er sich zu Estella umdrehte, um sie zu begrüßen, sah sie, dass ihm ein Schneidezahn fehlte.
»Verdammt, Sie sind also die neue Tierärztin?«, stieß Bluey lispelnd hervor und musterte sie mit einem Blick, der sie verlegen werden ließ.
»Ja, ich bin Estella Lawford.«
»Du hast gar nicht erzählt, dass sie so ein guter Schuss ist!«, sagte Bluey zu Michael, der ihn jedoch nicht beachtete. Angewidert sah Estella, wie Speichel durch Blueys Zahnlücke spritzte. Sie reichte Michael sein Glas. Dann stieg sie ins Flugzeug und öffnete ihren Koffer, aus dem sie flache, vorn offene Schuhe und eine kurzärmlige Baumwollbluse nahm. Als sie aus der Maschine stieg, warteten die beiden älteren Kinder auf sie.
»Willst du meine Eidechsen sehen?«, fragte das Mädchen.
»Deine hässlichen Echsen will keiner sehen!«, meinte Errol, um sie zu ärgern.
»Das reicht, Errol«, sagte Bluey. »Und du lässt die Lady in Ruhe, Jane!« Wieder spuckte er beim Sprechen.
»Ist schon gut!« Estella ergriff dankbar die Gelegenheit, von Bluey fortzukommen, der unangenehm nach Schweiß und Bier roch. Sie war empfindlich wie nie gegen solche Ausdünstungen, die ihr den Magen umzudrehen drohten. »Ich würde deine Eidechsen sehr gern sehen, Jane!«
Jane bedachte Errol, der ihr die Zunge herausstreckte, mit einem triumphierenden Blick und lief davon.
»Bleiben Sie nicht zu lange, Estella – wir müssen in ein paar Minuten abfliegen!«, sagte Murphy.
Estella, der Murphys Ungeduld allmählich auf die Nerven ging, verzichtete auf eine Antwort.
Sie folgte der Kleinen zu einem Käfig an einer Seite des Hauses, der unter dem einzigen Schatten spendenden Baum im Umkreis von drei Meilen stand. Auch Blueys Schaukelstuhl stand dort, und Estella meinte den deutlichen Abdruck seines Körpers darin zu erkennen. Das bedeutete, dass er wahrscheinlich die meiste Zeit seines Lebens unter diesemBaum verbrachte. Der Boden darum herum war mit leeren Bierflaschen übersät.
»Was für Eidechsen hast du denn, Jane?«, fragte Estella.
Das kleine blonde Mädchen senkte den Kopf. »Mein Sleepy ist weggelaufen, aber ich hab eine Blauzunge und ein paar Skinks. Errol macht sich immer über meine Blauzunge lustig, weil die keine Zehen mehr hat. Ich glaub, er hat auch meinen Sleepy mit Absicht freigelassen.« Jane sah zutiefst bekümmert aus. Estella schloss aus ihren Worten, dass die Kleine oft unter ihrem älteren Bruder zu leiden hatte.
»Weißt du, ich habe noch nie eine richtige australische Eidechse gesehen.« Sie hatte zwar Abbildungen in einem ihrer Bücher studiert und an der Universität viele andere Eidechsen untersucht, doch keine aus Australien.
»Wirklich nicht?«
»Nein. Hat deine Blauzunge einen Namen?«
»Ich hab mir noch keinen ausgedacht.«
»Wie wäre es mit ›Aussie‹?«
»Aussie?«
»Ja. Er ist doch Australier, nicht wahr? Ich glaube nicht, dass es sonst irgendwo auf der Welt Eidechsen mit blauen Zungen gibt.«
»Wirklich nicht?« Jane lächelte glücklich. »Dann nenne ich ihn Aussie!« Sie schob eine kleine Klappe im Käfig zur Seite und nahm die Blauzunge vorsichtig am Nacken hoch. Wie um zu protestieren ließ diese blitzartig ihre Zunge herausschnellen. »Errol hat mir gezeigt, wie man sie halten muss, als ich noch klein war«, erklärte Jane stolz. Estella
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