Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
lang und dunkel und passten zu ihren feuchten dunklen Locken, die das hübsche Köpfchen bedeckten. Ihre Nase war wie ein kleiner Knopf, ihre rosafarbenen Lippen schienen zu einem Schmollmund verzogen. Ihr Anblick ließ Estella an ihr eigenes Baby denken und weckte ihre Neugier und ihre mütterlichen Instinkte. Trotz ihrerunsicheren Zukunft wusste sie schon jetzt, dass sie gern Mutter sein würde.
Draußen sprang der Generator mit lautem Knattern an, und Estella hörte jemanden sehr undamenhaft fluchen, doch ihre Aufmerksamkeit gehörte dem Kind in ihren Armen.
Hattie kam durch den alten, ausgefransten Fliegenvorhang, der im Rahmen der Hintertür hing. Der kleine Junge folgte ihr schluchzend.
»Himmel nochmal, Henry«, schimpfte Hattie, »du machst jetzt sofort deinen Mittagsschlaf, bevor du mich noch in den Wahnsinn treibst!« Sie nahm den Jungen auf den Arm – er konnte nicht viel älter als ein Jahr sein. »Kommen Sie noch einen Moment mit dem Baby zurecht, Estella? Ich leg Lily hin, sobald Henry versorgt ist.«
»Ich komme sehr gut zurecht. Sie ist ein sehr zufriedenes Baby, nicht wahr?«
»Sie ist ein Prachtexemplar. Ich stille sie, und dann schläft sie stundenlang, falls die verdammten Mücken sie in Ruhe lassen.«
Mücken! Natürlich – die Stiche stammten von den Moskitos! Ob Hattie wohl ein Netz über die Wiege gehängt hatte? Estella blickte sich in der Versorgungsstation um und sah die Stühle mit dem verblichenen Polster, die Salz- und Pfefferstreuer aus Plastik auf den alten Tischen und die Zuckerschälchen, die Fliegen anlockten. Hinter der Theke stand ein großer Herd, über dem Kellen und andere Kochwerkzeuge hingen. Alles war voller Staub. Der einzige Wandschmuck bestand aus zwei eintönigen Landschaftsgemälden und einigen klebrigen Streifen Fliegenpapier, die aussahen, als hingen sie schon seit Monaten dort.
Estella stellte fest, dass sie den ganzen Tag über noch nichts gegessen hatte, doch sie war nicht hungrig. Es war einfach zu heiß, um an Essen zu denken.
Als Hattie zurückkam, reichte Estella ihr das Baby, dem dieAugen wieder zugefallen waren. »Haben Sie die Versorgungsstation auch geführt, während Sie schwanger waren, Hattie?«
»Darauf können Sie Ihren Hintern verwetten, verdammt«, gab Hattie zurück.
Estella war entsetzt über ihre Ausdrucksweise, doch Hattie bemerkte es nicht. »Als Lily sich sagte, dass es Zeit ist, auf die Welt zu kommen, hab ich gerade Steaks für eine Horde Schafscherer gebraten. Ich bin nach hinten ins Schlafzimmer gegangen, hab sie zur Welt gebracht und kam gerade noch rechtzeitig zurück, um die Steaks umzudrehen. Die waren zwar etwas angebrannt, aber die Scherer haben auf das Baby getrunken, und es hat sie nicht besonders gestört.«
Obwohl Hattie in mancher Hinsicht ein Schock für sie war, bewunderte Estella ihre Unverwüstlichkeit. »Sie sind großartig!«, sagte sie.
»Ach was«, erwiderte Hattie. »Natürlich wär’s nett gewesen, sich im Wochenbett umsorgen zu lassen – aber wer sollte das hier draußen tun? Ganz sicher nicht dieser Faulpelz, der mein Mann ist!«
»Die Versorgungsstation zu übernehmen war sehr mutig von Ihnen«, meinte Estella, »besonders, wenn Ihr Mann Ihnen keine große Hilfe ist.«
»Wir haben sie gemeinsam mit Blueys Bruder und dessen Frau gekauft. Aber irgendwann langweilte es Bazza – nach ihm ist unser Barry benannt –, und er ging zur Armee und wurde nach Korea geschickt, um dort zu kämpfen. Also mussten wir, mit anderen Worten ich, hier alles allein weiterführen.«
»Warum verkaufen Sie die Versorgungsstation nicht, wenn es Ihnen hier nicht gefällt?«
Hattie lachte trocken auf. »Sie steht schon seit Jahren zum Verkauf. Ich glaube, das Schild ist vor zwei Jahren runtergefallen, und ich hab mir nicht die Mühe gemacht, es wieder aufzuhängen. Wer das hier übernehmen würde, wäre dumm wie Bohnenstroh.«
Hattie schenkte Estella ein großes Glas Wasser ein, das ein wenig bräunlich aussah. »Ich hab nur Brunnenwasser, und leider heute auch kein Eis, weil der Generator nicht richtig läuft.«
»Das macht doch nichts«, erwiderte Estella, die so durstig war, dass sie sogar schlammiges Flusswasser getrunken hätte.
»Wenn Sie flache Schuhe haben, würde ich vorschlagen, dass Sie sie anziehen«, sagte Hattie und starrte mit einer Mischung aus Neid und Missbilligung auf Estellas Füße. Ihre eigenen waren etwa so breit wie Tischtennisschläger, und sie hatte sie in abgetragene Sandalen gezwängt, die
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