Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
Elektrizität.«
»O doch. Aber die Zuschüsse, die das Krankenhaus von der Regierung bekommt, reichen gerade für das Nötigste. Sie benutzen dort Petroleumlampen, um zu sparen.«
Estella stöhnte auf. »Sag mir jetzt bloß nicht, dass sie diesem Dr. Dan auch noch ein Gehalt bezahlen!«
Charlie runzelte die Stirn. »Dan mag seine Dämonen haben, Estella, aber er ist ein guter Arzt.«
Estella presste die Lippen zusammen und folgte ihm ins Haus. Sofort überfiel sie ein modriger Geruch, der ihren Magen rebellieren ließ. Sie blickte um sich und weigerte sich zu glauben, was sie sah.
»Ich habe noch niemanden gefunden, der es hätte reinigen können«, erklärte Charlie. »Normalerweise sind immer irgendwelche Aborigene-Frauen in der Nähe, aber sie sind auf Wanderschaft gegangen – und ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.« Charlie hatte tatsächlich mit einigen Aborigine-Frauen über die Reinigung des Hauses gesprochen, doch sie waren nicht interessiert gewesen. Als er ihnen schließlich eine bessere Bezahlung anbieten wollte, waren sie schon fort gewesen.
Estella war sprachlos. Der Raum war voller Schmutz, und als sie durch die anderen Zimmer ging, musste sie sich die Tränen aus den Augen wischen.
Während seine Nichte die Spinnennetze, den Staub und dietoten Insekten betrachtete, die sich nach mehreren Monaten angesammelt hatten, war Charlie unbehaglich zu Mute. Alles sah noch genauso aus, wie Ross es verlassen hatte, als er zu einem verletzten Fohlen gerufen worden war. Ross war stets sehr ordentlich gewesen, und es war aufgeräumt und sauber, doch jetzt sah es nicht mehr danach aus.
Charlie folgte Estella in die Küche, wo sie schaudernd die verschimmelten Essensreste auf dem Tisch und das schmutzige Geschirr im Spülstein betrachtete. Sie zuckte zusammen, als sie etwas in eine Ecke huschen sah. »Iiih!«, rief sie und bedeckte Mund und Nase mit einer Hand. »Ich nehme an, es ist seit Ross’ Tod niemand mehr im Haus gewesen ...?«
»Um ehrlich zu sein, so ist es. Ich konnte mich noch nicht überwinden, seine Sachen durchzusehen, deshalb ist noch alles so, wie es war. Ich dachte ... ich hatte gehofft, du würdest es tun.«
Estella blickte ihn verwundert an. »Ich habe ihn doch nicht einmal gekannt. Warum sollte ich seine Sachen durchsehen?«
Charlie zuckte mit den Schultern. Er fand nicht die rechten Worte, um ihr zu erklären, dass er und Ross nicht nur Brüder gewesen waren, sondern auch die besten Freunde. Als Ross gestorben war, hatte Charlie das Gefühl gehabt, eine Hälfte von sich selbst zu verlieren; deshalb war er seit der Beerdigung nicht mehr zu diesem Haus gegangen. Er hatte befürchtet, es nicht durchzustehen.
Estella blickte sich entsetzt um und dachte an ihr gemütliches Heim in Mayfair und daran, was James ihr angetan hatte. Seine Untreue hatte ihr nicht nur das Herz gebrochen, sondern sie außerdem dazu verdammt, in Armut zu leben. Selbstmitleid und Erschöpfung überfielen sie, und heiße Tränen strömten ihr über die Wangen.
Charlie wusste nicht, was er tun sollte. »Vielleicht ... äh, möchtest du lieber allein sein«, sagte er und zog sich zurück. Er hatte seine Beziehungen zu weißen Frauen bisher auf reineFreundschaften oder kurze Affären beschränkt und war echtem, tiefem Kummer gegenüber hilflos – besonders, da er nicht einmal mit seinem eigenen Schmerz fertig wurde. Die Aborigine-Frauen hingegen, die Charlie kannte, waren unkomplizierte Geschöpfe. Ihnen gegenüber brauchte er nicht so zu tun, als verstehe er ihre Kultur oder ihre religiösen Vorstellungen, denn sie erwarteten es nicht.
»Ja, ich möchte allein sein«, erwiderte Estella. »Bitte geh.«
Sie sehnte sich danach, sich an einer starken Schulter auszuweinen, doch Charlies hilfloser Blick sagte ihr, dass er dazu nicht der Richtige war – ebenso wenig wie Estella selbst imstande war, ihre Lage optimistisch zu sehen. In ihren Augen war sie eine einzige Katastrophe.
»Bist du sicher, dass ich gehen soll?«, fragte Charlie.
Sie nickte.
Er stellte ihr Gepäck hinter der Tür zum Schlafzimmer ab. »Wenn du irgendwas brauchst, ich bin in der Bar«, waren seine Abschiedsworte.
»Wenn ich irgendetwas brauche ...«, murmelte Estella voller Bitterkeit. Sie hatte kein Geld und keine Möglichkeit, diesen armseligen, verlorenen Ort zu verlassen, und diese schreckliche Erkenntnis traf sie mit furchtbarer Wucht. »Du lieber Himmel«, sagte sie leise. »Und dann noch all die Leute, die mich nicht hier haben
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