Ein Hologramm für den König
Es gab keinen Kontext, in dem das Wort Geschäftsmann ihn beleidigen könnte.
Sie parkten in einer Gasse zwischen etlichen kleinen Mietshäusern. Yousef hupte, und ein etwa fünfundzwanzigjähriger Mann kam die Treppe herabgesprungen, in der Hand den Koffer einer Akustikgitarre. Er stieg hinten ein, schüttelte Alan die Hand, und schon fuhren sie los.
Salem sah aus wie jemand, der auch am Venice Beach oder in Amsterdam nicht fehl am Platz wirken würde. Er hatte langes Haar mit grauen Strähnen, einen grau melierten Kinnbart und eine modische Brille vor seinen großen Augen. Er trug ein Paisleyhemd und Jeans. Sein Englisch war noch amerikanischer als Yousefs, obwohl Alan das hier nicht für möglich gehalten hätte.
Salem hatte die ersten zehn Minuten der Fahrt die Hände auf den Vordersitzen, das Gesicht zwischen Alan und Yousef, und erzählte, was für ein total merkwürdiges Erlebnis er kürzlich gehabt hatte – er war in seinem Mietshaus einem Sklaven begegnet.
– Erzähl ihm, wie du ihn da weinen gesehen hast, sagte Yousef.
Salem erzählte die Geschichte, wie er einige Tage zuvor einen Mann mittleren Alters auf der Treppe im Gebäude sitzen sah. Als Salem an ihm vorbeiwollte, bemerkte er, dass der Mann völlig aufgelöst war und haltlos schluchzte.
– Ich hab gefragt, was los ist. Er hat gesagt, er ist ein Sklave, und dass seine Besitzer ihn gerade freigelassen hatten. Aber er wusste nicht, was er jetzt machen sollte. Diese Leute waren seine Familie.
– Wohnen die Leute bei Ihnen im Haus?
– In der Wohnung unter mir.
Salem wohnte seit einem Jahr da und hatte die fünfköpfige Familie kommen und gehen sehen und gelegentlich auch den Mann im mittleren Alter. Aber erst da begriff er, dass der Mann nicht irgendein Freund oder Onkel war, sondern ein Sklave, den sie aus Malawi mitgebracht hatten.
– Ich muss mir eine neue Wohnung suchen, sagte Salem.
– Damit sind wir schon zwei, sagte Yousef. Sie sprachen darüber zusammenzuziehen, in irgendeinem anderen Teil der Stadt oder in einem anderen Land. Salem war vorerst fertig mit dem Königreich Saudi-Arabien. Es hatte ihm nichts mehr zu bieten.
– Die Langeweile ist grenzenlos, sagte Salem.
Alan war noch dabei, die Sklaven-Geschichte zu verdauen, als Yousef und Salem anfingen, über Depressionen und Selbstmord im Königreich zu reden.
– Es ist wahrscheinlich nicht so schlimm wie da, wo Sie leben, sagte Salem zu Alan. Aber Sie würden sich wundern. Die Hälfte der Frauen ist auf Prozac. Und Männern wie uns läuft die Energie an gefährlichen Stellen aus.
Er sprach über eine gewisse Waghalsigkeit angesichts des zermürbenden Mangels an Möglichkeiten, darüber, dass der Tod nicht besonders gefürchtet wurde. Über die Dragsterrennen, die mitten in der Wüste veranstaltet wurden, wo junge reiche Männer mit ihren BMW s und Ferraris um die Wette rasten und oft genug dabei verletzt oder getötet wurden, ohne dass je eine breitere Öffentlichkeit davon erfuhr. Yousef und Salem fingen an, sich schnell auf Arabisch zu unterhalten, und Alan erfuhr bald, dass sie darüber debattierten, ob sie ihn als Zuschauer mit zu so einem Rennen nehmen könnten oder nicht.
– Vielleicht auf dem Rückweg, sagte Salem. Vielleicht auch zu einem Konzert, fügte er hinzu.
Auch die fanden in der Wüste statt. Salem war Musiker und Filmemacher und Dichter, aber vor allem war er Liedermacher, obwohl er seine Musik nicht öffentlich aufführen durfte, nicht live spielen durfte, außer auf Untergrundkonzerten in der Wüste. In Riad war es noch viel schlimmer, aber selbst in Dschidda war das Leben eines Musikmachers ein ständiger Kampf. Dieses Leben hatte ursprünglich mal einen gewissen romantischen Reiz gehabt, aber es hatte seinen Glanz verloren. Salem überlegte jetzt, auf irgendeine karibische Insel zu ziehen, um dort in Bars zu spielen.
Sie ließen die Stadt hinter sich, und schon bald durchschnitt die Straße die Wüste, platt und rot, hier und da ein Rastplatz oder flache Felsen. Die Straße war breit und schnell, die Sonne hing leblos am Himmel, und Alan war müde. Er döste weg, den Kopf vom Sicherheitsgurt gehalten, ein- und weggelullt von Yousefs und Salems Stimmen, die sich auf Arabisch und mit großem Ernst unterhielten.
Er wurde wach, als eine Tür zuknallte. Der Wagen stand. Sie waren auf einem riesigen Parkplatz, der von Geschäften und Restaurants gesäumt wurde. Yousef war verschwunden, und Salem spielte mit seinem Handy. Alan blinzelte und sah Yousef
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