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Ein Hueter erwacht

Ein Hueter erwacht

Titel: Ein Hueter erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Wort, »ich fürchte, Ihr Herz wird diese Aufregung nicht mehr lange verkraften. Sie sollten sich -«, er berührte Montgomery fast sanft am Kinn und drehte dessen Gesicht in seine Blickrichtung, »- zurückziehen.« Ohne seinen Blick von Montgomery abzuwenden, fuhr Wyngaard fort: »Und - vergessen Sie das Ganze hier, hm? Dieser Kelch muß Sie nicht interessieren.«
    Edward Montgomery schluckte heftig, blinzelte verwirrt.
    »Nein, natürlich nicht«, flüsterte er dann, vage den Kopf schüttelnd, »bitte, verzeihen Sie, Sir Geraint .«
    »Schon gut«, lächelte Wyngaard. Er vollführte eine flatternde Handbewegung. »Nun gehen Sie schon.«
    »Ja, sicher.«
    Montgomery drehte sich um und stakste mit steifen Schritten davon. Dabei murmelte er unverständliche Worte.
    Schwungvoll wandte Geraint Wyngaard sich dem indischen Händler zu und lächelte ihn strahlend an. »So, nun zu uns beiden.«
    »Ihr Angebot gilt tatsächlich?« vergewisserte sich Jug Suraiya ungläubig.
    »Natürlich«, erwiderte der andere und warf sich in die Brust. »Zweifeln Sie an einem Wort Sir Geraints?« Mit theatralischer Geste wies er an seiner Statur hinab.
    »N-nein, selbstverständlich nicht«, beeilte sich Suraiya zu versichern. »Es ist nur . Sie haben sich den Kelch ja noch gar nicht richtig angesehen.«
    »Nicht nötig«, erklärte Wyngaard. »Ich . Nun, das muß Sie nicht interessieren. Eine Million Pfund also. Akzeptieren Sie einen Scheck?«
    »Bargeld wäre mir angenehmer.«
    »Kein Problem.«
    Geraint Wyngaard schnippte laut mit den Fingern und rief: »- James!«
    Wie ein Geist aus dem Unsichtbaren erschien der livrierte Diener von vorhin in der Halle und trat näher. Derweil hatte Wyngaard ein Scheckbuch aus seinem längst nicht mehr modischen Gehrock gezogen und eines der Formulare ausgefüllt.
    »Sir?«
    Wyngaard reichte dem Diener den Scheck. »Lösen Sie ihn bitte ein und händigen Sie die Summe Mister . wie war noch Ihr Name?«
    »Suraiya. Jug Suraiya. Stets zu Diensten«, zeigte sich der Alte beflissen und unterwürfig.
    »Ja ja, bringen Sie ihm das Geld, James.«
    Der Diener warf einen wie beiläufig wirkenden Blick auf den Scheck.
    »Sir?« hakte er dann nach, fast atemlos und erschrocken.
    »Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe, James«, verlangte Geraint Wyngaard eindringlich. »Und dann - Schwamm drüber, wie man heutzutage so sagt, nicht wahr?«
    Mit einer fließenden Bewegung schnappte er sich den Lilienkelch aus Jug Suraiyas Griff und wandte sich ab.
    »Ich empfehle mich für heute«, sagte er im Gehen.
    Dann hatte er das Gebäude auch schon verlassen. Lächelnd, als wäre ihm das größte Glück dieser Welt geradewegs in den Schoß gefallen.
    Und in gewisser Weise traf dies durchaus zu. Denn Geraint Wyn- gaard hielt zumindest das größte Glück seiner Welt in Händen ...
    *
    Die verspielte Fassade des Hauses in einer Seitenstraße der Lodi Road war so strahlend weiß, daß Passanten meinen mochten, sie würde allmorgendlich frisch getüncht.
    Dahinter jedoch hätte ein unbedarfter Besucher sich in einer Gruft wiederzufinden geglaubt. In einer möblierten freilich, und die Räumlichkeiten waren durchaus wohnlich gestaltet; aber Behaglichkeit mußte ein Fremdwort bleiben in diesem Haus.
    Die Fenster waren mit samtenen Vorhängen verhangen, das wenige Licht rührte von kerzenbestückten Leuchtern her. Wände und Mobiliar blieben weitgehend im Dunkel, die Luft war kühl und feucht. Und über allem hing ein Geruch wie von Moder und Verwesung.
    Irgendwo klimperte ein Cembalo eine alte Melodie.
    »Nirgends ist es so schön wie zu Hause.«
    Geraint Wyngaard seufzte und schloß die Tür hinter sich. Schatten hüllten ihn ein, als umschmeichelten sie ihn lebenden Wesen gleich. Lächelnd genoß er das imaginäre Gefühl, willkommen geheißen zu werden. Nach einer Weile schritt er durch die düstere Halle und der Quelle der gespenstischen Musik zu.
    Dabei sah Wyngaard auf den Kelch hinab, den er auf dem Weg zu seinem Haus unter dem Gehrock verborgen gehalten hatte. Zwar war es unwahrscheinlich, daß jemand ihn als das erkannt hätte, was er wirklich war, aber man wußte ja nie . Er selbst hatte die bloße Nähe des Kelches schließlich zu spüren vermocht, und möglicherweise war er, Wyngaard, ja doch nicht der einzige seiner Art in Delhi .
    Obschon ihm der Gedanke gefiel - eine ganze Stadt für sich zu haben. Des angenehmen Gefühls, das damit einherging, war er in all den Jahren nicht überdrüssig geworden. Und es hatte ihm

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